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Winfried Hermann

Neue Jobs gesucht

Winfried Hermann: Neue Jobs gesucht
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E-Mobilität vernichtet Arbeitsplätze: Dieser schlichten These widerspricht Winfried Hermann. Es gibt andere Gründe für den Beschäftigungsrückgang, sagt der grüne Landesverkehrsminister.

Die Allianz Mobilitätswende, ein Bündnis von 34 Organisationen, möchte ihre Anliegen in den baden-württembergischen Landtag einbringen. Das Verkehrsministerium des Landes stellt die Ergebnisse seiner ÖPNV-Zukunftskommission vor: die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Verkehr soll sich verdoppeln. Parallel dazu diskutiert ein Online-Kongress der Grünen im Europaparlament: "Die Automobilindustrie im Wandel. Den Umbau gestalten". Drei Termine an zwei Tagen der letzten Woche, die zeigen, wie sehr Mobilitätswende und klimafreundlicher Verkehr derzeit Vielen unter den Nägeln brennen.

Aber wie schafft es das Automobilland Baden-Württemberg, den Strukturwandel zu bewältigen? Bisher sind die CO2-Emissionen im Verkehr, Klimaziele hin oder her, immer nur weiter gestiegen. Die Autohersteller haben sich lange Zeit auf ihren Exporterfolgen ausgeruht und erst in jüngster Zeit angefangen, das Thema E-Mobilität wirklich ernst zu nehmen. Müssen nun Mitarbeiter um ihre Jobs bangen? Fällt Baden-Württemberg zurück? Verkehrsminister Winfried Hermann hat dazu ein Positionspapier verfasst. "Über notwendige Veränderungen der Automobilwirtschaft", lautet der Titel: "Wie aus der Krise Zukunftsfähigkeit entstehen kann".

Immer wieder, auch im Landtag, begegnet Hermann der Aussage, durch die Umstellung auf elektrische Antriebe gingen viele Arbeitsplätze verloren. Er hält dies für eine "zu einfache Argumentation", der er mit seinem Papier widersprechen wollte, erklärt der Verkehrsminister auf Kontext-Nachfrage. Zu lange hätten die Hersteller am Diesel festgehalten. "Dies geht auf die nachvollziehbare Hoffnung vieler Akteure in Politik und Wirtschaft zurück, das Erfolgsmodell der Vergangenheit lasse sich nahtlos auf die Zukunft fortschreiben", stellt Hermann klar. Aber: "Diese Hoffnung erweist sich zunehmend als Irrglaube."

Die Chinesen kaufen

"Was ist die Zukunft des Autolandes?", so Hermanns einleitende Frage. Er konstatiert, die Konzerne hätten bis 2017 hohe Gewinne eingefahren. Die Coronakrise habe anfangs zu einen Nachfragerückgang geführt, doch am Jahresende hätten die Unternehmen wieder überraschend hohe Umsätze gemacht. Tatsächlich hat Daimler soeben verkündet, im Jahr 2020 einen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro eingefahren zu haben – mehr als 2019 und deutlich mehr als erwartet. Hermann verweist jedoch auf die seit vier Jahren rückläufige Nachfrage, insbesondere in Europa, und eine weltweite Überproduktion.

Der anhaltende Erfolg deutscher Autohersteller nach den Einbrüchen der Finanzkrise 2008 beruht fast ausschließlich auf dem Export. Auch diesmal kam es vor allem deshalb nicht zur prognostizierten langanhaltenden Rezession, weil in China der Absatz brummte. Es sind nicht nur die Pariser Klimaziele oder deutsche und europäische Vorschriften, die Daimler, Bosch und der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen veranlasst haben, sich nun doch dem elektrischen Antrieb zuzuwenden, sondern vor allem der chinesische Markt. China will bis in fünf Jahren den Anteil der Elektroautos auf 25 Prozent steigern und bis 2060 insgesamt klimaneutral sein.

"Längst sind die deutschen Produktionsstätten in ein internationales Netzwerk eingebunden", schreibt Hermann. "Hinzu kommt, dass die Automobilbranche schon seit Jahren ihre Fahrzeuge mehr und mehr in den weltweiten Marktregionen ('local for local') baut." So ist die Marke Smart vor zwei Jahren zu Geely nach China gewandert und wird dort auch hergestellt. Vorbei die Zeiten, als chinesische Hersteller versuchten, europäische Hochtechnologieprodukte zu kopieren und Daimler das Land deshalb scheute wie der Teufel das Weihwasser. Vor drei Jahren ist Geely mit knapp zehn Prozent bei Daimler eingestiegen, und die staatliche Beijing Automotive Group möchte Geely noch überbieten.

Nicht so sehr die Umstellung auf E-Mobilität führt zu einem Personalabbau als vielmehr die Verlagerung der Produktion und die Erhöhung der Produktivität, sprich die Automatisierung. In Deutschland, schreibt Hermann, sei die Produktion von 2016 bis 2019 von 5,7 Millionen auf 4,6 Millionen Fahrzeuge im Jahr gesunken. Jetzt, in der Pandemie, macht es den Unternehmen nichts aus, weniger zu produzieren, die Mitarbeiter erhalten ja Kurzarbeitergeld.

Dann wandert die Produktion eben ab

Es gibt also einen Strukturwandel unabhängig von der Coronakrise. Wie Hermann bemerkt, "üben neue Wettbewerber mit neuen Produkten wie BYD und Tesla einen hohen Anpassungsdruck aus." BYD (Build Your Dreams), ein Konzern aus der chinesischen Industriemetropole Shenzhen, ist erst 25 Jahre alt, weltgrößter Akku-Produzent und darüber hinaus  Autohersteller, mit dem auch Daimler zusammenarbeitet. Ein steiler Aufstieg.

Bosch als weltgrößter Auto-Zulieferer hat dagegen eher einen Schlingerkurs gefahren. 2008 gab es für vier Jahre ein Joint Venture mit Samsung aus Korea, das dann an unterschiedlichen Vorstellungen wieder zerbrach. 2018 gab das Unternehmen bekannt, auf die eigene Herstellung und Forschung zu Batteriezellen verzichten zu wollen und kooperiert seither mit dem weltgrößten Hersteller CATL aus China. Gleichwohl bleibt Bosch in der Batterietechnologie führend. "Nur Bosch kann mit den Asiaten mithalten" titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland im vergangenen September.

"Baden-Württembergs Autoindustrie ist nicht vorne, aber auch nicht abgeschlagen", lautet Hermanns Fazit. Er moniert jedoch: "E-Fahrzeuge deutscher Hersteller werden zu oft nicht im Land hergestellt. Die langen Wartezeiten für die wenigen deutschen E-Autos zeigen, dass man zu lange mit der Umstellung der Produktion gewartet hat. Zudem wird die Abhängigkeit von chinesischen und anderen asiatischen Firmen bei der Batterie- und Zellenproduktion und der (langjährige) Verzicht auf eigene Kompetenzentwicklung schmerzlich sichtbar."

Hermanns Analyse zufolge ist die Tendenz kaum aufzuhalten, dass Arbeitsplätze in Länder abwandern, in denen die Fahrzeuge tatsächlich gekauft werden – und letztlich auch nicht so schlimm. Andererseits stellt er fest "Die Industriearbeitsplätze in der Automobilwirtschaft bieten aktuell für die Stammbelegschaften eine so gute Bezahlung, wie sie kaum eine andere Branche leisten kann.". Ziel einer neuen, langfristig denkenden Wirtschaftspolitik müsse daher sein, "zukunftsfähige, gute Arbeitsplätze" zu halten. Dies sei aber nur möglich, wenn die Industrie bei den Innovationen die Nase vorn behält.

Bus fahren statt Autos bauen?

Eine Schlüsselrolle komme dabei der Aus- und Fortbildung zu. Es sind indes weniger große Konzerne wie Bosch oder Daimler, als vielmehr einige der kleinen und mittleren Zulieferer, die durch die Umbruchsituation in Schwierigkeiten geraten. Es gelte, so Hermann, "denjenigen Fachkräften aus dem Fahrzeugbau Perspektiven anzubieten, die bisher zu sehr auf fossil-angetriebene Fahrzeuge fokussiert waren." Fortbildungsangebote, Umschulungen, sogar neue Hochschulstudiengänge zur E-Mobilität seien nötig. Insgesamt "mehr Ausbildung für die Arbeitskräfte von morgen."

Hermann würde die Unternehmen gern dazu bringen, sich weniger als Autohersteller und mehr als Mobilitätsdienstleister zu verstehen. Die Rhetorik haben die Hersteller längst aufgegriffen, Daimler beispielsweise mit seiner CASE-Strategie: Die vier Buchstaben stehen für Connected, also die Kombination verschiedener Verkehrsmittel, A wie autonomes Fahren, Shared & Services, also Carsharing und Dienstleistungen, sowie E für elektrische Antriebe. Aber sein Carsharing-Angebot Car2go, seither "Share Now", hat der Konzern 2019 gerade noch in ein Joint Venture mit BMW gerettet. Wenn es darauf ankommt, streicht Daimler-Chef Ola Källenius alles, was keinen Gewinn einbringt. So kommt es zu der hervorragenden Bilanz des vergangenen Jahres, die sofort die Aktienkurse in die Höhe getrieben hat.

Neue Arbeitsplätze entstehen auch an ganz anderer Stelle, wenn, wie Hermann dies will, und wie es angesichts des Klimawandels auch nötig ist, bis 2030 doppelt so viele Fahrgäste den öffentlichen Verkehr nutzen sollen wie heute: Es besteht ein erhöhter Bedarf an Busfahrern und Lokführern, die schon jetzt schwer zu finden sind. Hermann verweist auf die Initiative des Landes, Flüchtlinge zu Lokführern auszubilden. Doch für ihn ist das eigentlich eine andere Baustelle. Wer um seinen gut bezahlten Arbeitsplatz fürchtet, dem ist nicht damit gedient, wenn man ihm einen Job als Busfahrer anbietet.

Denn, dem stimmt auch Hermann zu: In der Busbranche seien über viele Jahre schlechte Löhne gezahlt worden. Aber er will die "Verantwortung sortieren". Für die Finanzierung des lokalen ÖPNV sind Kommunen und Landkreise zuständig, für die Bahn-Infrastruktur der Bund. Hermann möchte auch den Unternehmen nicht diktieren, was sie zu tun haben. Aber die Politik muss den Rahmen vorgeben. Entscheidend für das Gelingen der Transformation seien verlässliche Rahmenbedingungen und eine intelligente Infrastrukturpolitik, hat auch der ehemalige Daimler-Manager Wilko Stark auf der Konferenz der Grünen im Europaparlament gesagt.

In Hermanns Papier findet sich ein bemerkenswerter Satz: "Eine neue Wirtschaftspolitik wird eine weitere Anhäufung von Vermögen in den Händen weniger vermeiden und Vermögen und Wohlstand gerechter verteilen. Auf lange Sicht sind sozial gerechte Gesellschaften und Wirtschaftsmodelle mit guter Arbeit und fairer Verteilung des erarbeiteten Wohlstands erfolgreicher als ungebremster Wirtschaftsliberalismus. Deshalb fahren wir besser mit einer wirklich 'sozialen' statt mit der 'freien' Marktwirtschaft.“ Wieviel Marktwirtschaft und wieviel Sozialstaat es sein sollen: Das wird auch in Hermanns eigener Partei durchaus kontrovers diskutiert.


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1 Kommentar verfügbar

  • Peter Meisel
    am 06.02.2021
    Antworten
    Das Auto-mobil wurde von Carl Benz erfunden und das Klima schafft dank der Gier des Daimler diese Umweltzerstörung wieder ab. Auch die e-Mobilität wird als Klimasünder erkannt: Siehe ARTE Video: Klimasünder e-Mobilität es lohnt sich.
    Die Digitalisierung kann Zuviel Mobilität überflüssig machen, das…
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