Bald greift die Revolution auf Berlin über. Am 9. November wird dort der Thronverzicht des Kaisers bekannt gegeben; wenige Stunden später vom Sozialdemokraten Scheidemann die "Deutsche Republik" ausgerufen. In wenigen Wochen geben alle gekrönten Häupter in Deutschland das Zepter ab; relativ spät die Herrscher im Südwesten: Großherzog Friedrich II. von Baden am 22. November, König Wilhelm II. von Württemberg gar erst am letzten Tag des Monats.
Die Militärs machen sich einfach aus dem Staub
In diesem November 1918 hat sich die Welt grundlegend verändert. Die tausendjährige Herrschaft des Adels ist zu Ende, das Volk – so scheint es – hat gesiegt.
Kaiser Wilhelm II., der noch wenige Tage zuvor, an der Spitze seiner Truppen kämpfend, den Soldatentod an der Front finden wollte, hat stattdessen ein nettes Schlösschen in Holland gefunden und lebt dort noch mehr als zwanzig Jahre im Exil. Ludendorff klebt sich einen falschen Bart an und flieht mit gefälschten Papieren nach Schweden.
So machen sich die Spitzen Preußen-Deutschlands einfach aus dem Staub. Die Misere regieren müssen nun andere, darunter auffallend viele Politiker aus dem Südwesten: Reichskanzler Prinz Max von Baden, sein Nachfolger Friedrich Ebert, Matthias Erzberger, der Liberale Conrad Haußmann.
Schon bald müssen sie sich der gefährlichen "Dolchstoßlegende" erwehren: ein Jahr nach Kriegsende hat der ehemalige Generalfeldmarschall Hindenburg den Dank an Erzberger vergessen oder verdrängt. Er behauptet jetzt, die Armee sei "von hinten erdolcht worden". Natürlich ist das ziemlicher Schwachsinn, aber besonders die ehemaligen Frontsoldaten und ihre Offiziere hören es gerne, "im Felde unbesiegt" geblieben zu sein.
Dem Waffenstillstand folgt der Vertrag von Versailles; auch dies eine schwere Hypothek für die junge deutsche Republik – selbst wenn die meisten Historiker heute meinen, dieser Vertrag sei besser als sein Ruf gewesen.
Matthias Erzberger wird Reichsfinanzminister, seine Reformen stärken das Reich gegenüber den Teilstaaten und tragen so wesentlich zur leidlichen Stabilität der Weimarer Republik bei. Er zählt zu den Erfahrensten in der politischen Klasse des neuen Deutschland; seit 1903 Mitglied des Reichstags, ein umtriebiger, immens fleißiger Berufspolitiker, ausgestattet mit einem phänomenalen Gedächtnis. Aber der Sohn kleiner Leute bleibt doch zeitlebens, selbst dem liberalen Bürgertum, ein etwas unheimlicher Außenseiter, dem kaum jemand so recht was gönnt.
Vom wihelminischen Mainstream-Politiker zur Hassfigur
Dabei ist der Abgeordnete Erzberger jahrelang durchaus im wilhelminischen Mainstream mitgetrudelt, als Verfechter abenteuerlicher Kriegsziele, im Wortkrieg gegen Sozialisten hat er auch schon mal die eine oder andere antisemitische Attacke geritten.
Doch nun ist er für die alten Eliten und die neue radikale Rechte zum meistgehassten Politiker in Deutschland geworden: Beleidigungen, Prozesse, Attentate. Der deutschnationale Abgeordnete Helfferich schreibt ein Pamphlet "Fort mit Erzberger". Ein ehemaliger Offiziersanwärter schießt auf den Zentrumspolitiker, der dabei – mit viel Glück – nur verletzt wird. Der Schütze kommt mit einer lächerlichen Strafe davon – 18 Monate Gefängnis.
26. August 1921, Bad Griesbach im Schwarzwald. Matthias Erzberger, der hier zur Kur weilt, macht einen Spaziergang mit einem Parteifreund. Dabei wird er von zwei ehemaligen Marineoffizieren mit Pistolenkugeln regelrecht hingerichtet. Die Täter fliehen nach München. Bayerns Polizei zeigt sich bei den Ermittlungen nicht besonders eifrig. So gelingt es den Attentätern, ins Ausland zu entkommen.
Die zahlreichen Feinde der jungen Republik von Weimar verbergen kaum ihre Freude über den gewaltsamen Tod des "Novemberverbrechers". Nationalistische Studenten, das sind die meisten, singen – in Abwandlung des Kirchenliedes – "Nun danket alle Gott für diesen braven Mord".
2 Kommentare verfügbar
Nichts...
am 18.07.2014Die sogenannten "bürgerlichen" in der Politik handeln früher wie heute menschenverachtend und verantwortungslos (Gier frißt Hirn).
Die "bürgerlichen" und der Monarch zetteln aus imperialistischer Großmannssucht (Gier nach Macht/Land) im Jahr 1914 den 1.Weltkrieg an (nehmen…