Die Ausstellung wurde ein Triumph. 500 Gäste erschienen zur Eröffnung, darunter viele Zeitzeugen. Deutschlandweit berichteten die Zeitungen. Insgesamt kamen 30 000 Besucher nach Marbach, mehr als jemals zuvor. Weitere Stationen waren München, Berlin, New York, Hamburg und Florenz. Ohne originale Exponate, auf 15 Stelltafeln komprimiert, ging eine Wanderausstellung – die bis dahin erfolgreichste des Instituts für Auslandsbeziehungen – anschließend noch um die ganze Welt. Es folgten weitere Wiederentdeckungen, Reprints und Taschenbuchausgaben, neue Forschungen und bibliografische Verzeichnisse.
"Es gibt kein expressionistisches Werk, das während dieser vier Jahre [des Ersten Weltkriegs] an die Öffentlichkeit gebracht wäre und das sich zum Kriege bekannt hätte", schreibt Raabe im Marbacher Katalog. Viele Autoren hatten im Gegenteil früh vorausgesehen, was kommen würde. Mit am Anfang stand 1910 das Gedicht "Weltende" von Jakob von Hoddis. Georg Heym, der 1912 bei einem Unfall ums Leben kam, schrieb bereits Gedichte über den Krieg. "Auf einmal aber kommt ein großes Sterben", beginnt eines, ähnlich wie bei Lichtenstein. Ein anderes, unter dem Titel "Der Krieg", hebt an: "Auferstanden ist er, welcher lange schlief."
In aller Deutlichkeit äußert sich insbesondere Franz Pfemfert in der "Aktion": "Er scheint unheilbar, Europas Wahnsinn", konstatiert er bereits 1912 im Editorial: "Was gibt uns das Recht, von dem Fortschritt einer Menschheit zu faseln, die [...] so verbrecherisch ist, das Morden auf Kommando als Pflicht der 'nationalen Ehre' auszuschreien." Er warnt: "Unsere Presse hat längst aufgehört, eine Macht zu sein. Sie ist eine Gewalt, eine Gewalttätigkeit." Und er setzt dagegen, "in dieser Zeit ist es heilige Pflicht, die Ehre der Vaterlandslosigkeit zu verteidigen". "Mars regiert die Stunde", titelt Pfemfert im Januar 1914. Doch als der Krieg beginnt, kündigt er an, seine "Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst" werde künftig "nur Literatur und Kunst enthalten." Trotzdem bleibt der Krieg allgegenwärtig, etwa in Nachrufen auf gefallene Autoren oder im Gedicht Wilhelm Klemms über die Marne-Schlacht. Pfemfert selbst versucht die Zensur zu umgehen. Er stellt fest: "Heute muss mein Schweigen für mich reden", und zitiert sarkastisch sentimental-partiotische Gedichte.
Zu den Mitstreitern Pfemferts gehörte anfangs Kurt Hiller. Er begründete mit Ludwig Rubiner und anderen die dezidiert politische, pazifistische Bewegung des Aktivismus. "Da alle bisherige Erfahrung zeigt, dass die Verwalter der Nationen auf das bloße Wort des Geistes nicht hören, müssen die geistigen Menschen selbst die Verwaltung der Erde in die Hand nehmen", schreibt er 1916 in der ersten Ausgabe seines Jahrbuchs "Das Ziel". Der von ihm ins Leben gerufene "Bund zum Ziel" arbeitet "auf schnellen Schluss mit der Hohenzollernmonarchie und ihrem Kriege, auf Teilnahme am Aufbau einer Republik des Friedens, der Freiheit, der sozialen Gerechtigkeit, des Geistes" hin. Nach dem Krieg wird daraus der "Rat geistiger Arbeiter", und Hiller engagiert sich in der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG). Der Bund der Kriegsdienstgegner, der sich bald mit den War Resisters' International (WRI) vernetzt, zählt ihn zu seinen Gründungsmitgliedern. Das Credo lautet: "Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten."
7 Kommentare verfügbar
Dietrich HeiÃÂenbüttel
am 02.06.2014