Die gemeinsame Dursuchungsaktion von Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft Karlsruhe war von langer Hand geplant: Am Morgen des 18. Mai, einem Sonntag, filzten die Ermittlungsbehörden das Firmengelände der Deuerer Tierfuttermittel GmbH in der Kraichgaugemeinde Gondelsheim. Im Visier der Fahnder standen zur gleichen Zeit mehrere Büros der in diesem Betrieb eingesetzten Zeit- und Leiharbeitsfirmen in Bretten. Rund 80 Polizeibeamte waren an den Durchsuchungen beteiligt. Sie haben angetroffene Arbeiter verhört und Beweismaterial gesichert. Vorläufig beschlagnahmt wurden nach Kontext-Informationen mehrere Computer sowie ein Dutzend Umzugskisten voller Unterlagen. Festplatten und Aktenordner werden derzeit ausgewertet. "Es besteht der Anfangsverdacht, dass bei dem Tiernahrungshersteller Personen über die gesetzlich zulässige tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden sowie ohne Genehmigung an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden", sagt Rainer Bogs von der Karlsruher Staatsanwaltschaft. Für ein Zwischen- oder gar Endergebnis der Ermittlungen sei es derzeit noch zu früh. Ausgelöst hatte die Ermittlungen ein anonymer Hinweis sowie Erkenntnisse der örtlichen Gewerbeaufsicht.
Wegen ihrer Beschäftigungspolitik fällt die Firma Deuerer immer wieder auf. Zuletzt berichtete Kontext mehrfach über die Arbeits- und Lebensbedingungen von rund 1200 Leih- und Werkvertragsarbeitern, die derzeit in dem Familienunternehmen eingesetzt sind. Sie ersetzen immer häufiger die Stammbelegschaft, die inzwischen nur noch rund 500 Mitarbeiter zählt. Die meist aus osteuropäischen EU-Ländern stammenden Leiharbeitskräfte werden dem Unternehmen über drei Personaldienstleister vermittelt. Diese besorgen den selten Deutsch sprechenden Arbeitern auch Wohngelegenheiten, meist in einer Sammelunterkunft und zu überteuerten Mietpreisen. In der Kontext-Reportage <link http: www.kontextwochenzeitung.de s-klasse frueher-hiess-das-sklaverei-2007.html _blank>"Früher hieß das Sklaverei" schilderte eine Polin unter dem Pseudonym Gabriela ihre einschlägigen Erfahrungen beim Arbeitseinsatz für den Brettener Tierfutterhersteller, zu dessen Kunden große Discounter- und Drogeriemarktketten in Europa gehören.
So bezieht unter anderen die Karlsruher Drogerie-Kette dm ihr Katzenfutter, das unter dem Eigenmarken-Label "Dein Futter" verkauft wird, von Deuerer. Das Unternehmen sah sich nach Anfragen von dm-Kunden und Kontext sogar genötigt, die Arbeitsbedingungen bei seinem Lieferanten zu hinterfragen. Unternehmer Han-Jürgen Deuerer persönlich versicherte dem Handelspartner dm daraufhin in einer schriftlichen Stellungnahme umfassende Untersuchungen und Maßnahmen, um gesetzliche und soziale Standards bei allen im Unternehmen Beschäftigten einzuhalten. So habe man unter anderem eine "der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften" beauftragt, die "Lohnabrechnungen sowie die Zeiterfassung sowohl der Stammbelegschaft als auch der Zeitarbeitsfirmen" überprüft. "Wir haben uns intensiv mit dem Inhaber auseinandergesetzt. Uns wurde detailliert aufgezeigt und versichert, dass die Vorwürfe nicht haltbar seien", so das damalige Fazit von dm-Geschäftsführer Ulrich Maith gegenüber Kontext.
Mit Hinweis auf die <link http: www.kontextwochenzeitung.de macht-markt mit-billigloehnern-millionen-verdienen-2006.html _blank>Kontext-Berichterstattung ging bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Vermittlerfirma der Polin Gabriela ein. Es handelt sich um die IH Direkt GmbH Personaldienstleistungen mit Hauptsitz in Ludwigsburg und einer Dependance in Bretten. Die Staatsanwaltschaft bat daraufhin Kontext "zur Prüfung eines Tatverdachts gegen die Verantwortlichen der angezeigten Vermittlerfirma wegen strafbarer Handlungen, insbesondere wegen der dargestellten Wohnverhältnisse der jungen Frau und der Höhe des hierfür einbehaltenen Mietzinses" um Nennung des Namens und der Anschrift von Gabriela. Konkret ging es um den Straftatverdacht des Lohn- und Mietwuchers. Aus Angst vor Repressalien oder Jobverlust hatte sich Gabriela gegenüber Kontext jedoch Anonymität ausbedungen.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft weiß von nichts
Seitdem ruhen die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft offenbar. "Ich bin auf weitere Informationen angewiesen. Mit der Polizei im Nacken die Firma zu stürmen sehe ich mich nicht in der Lage", sagt die Erste Staatsanwältin Cathrin Maak gegenüber Kontext. Zudem würden Durchsuchungen nicht immer den erhofften Ermittlungserfolg bringen. Maak musste von Kontext erst auf die große Durchsuchungsaktion der Karlsruher Staatsanwaltschaft hingewiesen werden. Die Ermittlungen der badischen Kollegen hatten sich nicht bis Stuttgart herumgesprochen.
Dabei haben mittlerweile weitere Online-Medien (<link http: www.nadr.de durchsuchung-bei-deuerer-und-den-leiharbeitsfirmen-am-sonntagmorgen _blank>www.nadr.de, <link http: www.bak-bretten.de texte wp tag deuerer _blank>www.bak-bretten.de) brisante Informationen im Fall Deuerer zusammengetragen. So berichtete Anfang April das Brettener Online-Nachrichtenportal www.bak-bretten.de, dass es nach mehrfachen Versuchen gelungen sei, mit zwei polnischen Leiharbeitern ins Gespräch zu kommen. <link http: www.bak-bretten.de texte wp gespraech-mit-polnischen-leiharbeitern _blank>Was Piotr und Pawel dem Journalisten Matthias Menzel schilderten, deckt sich weitgehend mit den Erfahrungen von Gabriela. Zusätzlich veröffentlichte das Portal auch Lohn- und Mietabrechnungen des Personaldienstleister IH Direkt GmbH. Ein kurzes Video zeigt Innenaufnahmen einer beengten Arbeiterunterkunft.
Schwere Vorwürfe erhob www.bak-bretten.de im gleichen Bericht gegen Stadtverwaltung und Gemeinderat von Bretten. Beiden sei die Situation der Leiharbeiter bekannt. Die Stadt habe sogar über die städtische Wohnungsbau GmbH Wohnraum an die umstrittenen Arbeitsvermittlerfirmen vermietet, die diese überteuert an Leiharbeiter untervermieten. Zudem lasse es der Gemeinderat an Transparenz mangeln, indem hinter verschlossenen Türen in nicht öffentlicher Sitzung über den Fall Deuerer beraten worden sei. Mit dem Ergebnis, nichts zu tun. "Hintergrund der städtischen 'Apathie' ist sicherlich das eiskalte Kalkül, alles was mit dem 'größten Steuerzahler' der Melanchthonstadt zu tun hat, unter dem Teppich zu halten", mutmaßt das Online-Portal. Aber auch der Umstand, dass einige der an Leiharbeiter vermieteten Wohnhäuser wohlhabenden Brettener Mitbürgern gehören, die sich dadurch ebenfalls an den bedauernswerten Arbeitssklaven schadlos halten, sei unerträglich.
6 Kommentare verfügbar
Roman K
am 03.06.2014Alles probleme verbundenen mit dem Unternehmen IH Direkt plus GmbH von Bretten , beschreibt die Herr Menzel unterstützt werden durch meine Dokumente und Video von Hotelzimmer. Wenn der Staatsanwalt entscheidet über sie dann kann zusammen mit Kollegen als Zeugen aussagen natürlich in…