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Heckler und Koch

Dinosaurier voll auf Kurs

Heckler und Koch: Dinosaurier voll auf Kurs
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Jahrzehntelang galt Heckler & Koch als einer der verschwiegendsten Läden im Land. Mittlerweile recycelt der Oberndorfer Waffenhersteller Altwaffen und zumindest die Aktionärsversammlungen sind für die Presse zugänglich. Ein Besuch.

Presseanfragen beantwortete man, wenn überhaupt, mit Allgemeinplätzen, Aktionärsversammlungen waren stets nicht öffentlich, das Werk auf dem Oberndorfer Lindenhof für Außenstehende terra incognita: Der Waffenbauer Heckler und Koch war bis vor einiger Zeit Fort Knox in Baden-Württemberg.

Das änderte sich, als vor vier Jahren der inzwischen schon wieder geschasste Vorstandsvorsitzende Norbert Scheuch tatsächlich die Presse einlud, nach einer Aktionärsversammlung mit ihm zu sprechen. Scheuch war Anfang 2016 zur Firma gekommen und hatte den durch mehrere Waffenexportskandale gebeutelten Mittelständler auf mehr Offenheit getrimmt – und versprochen, man werde nur noch an "Grüne-Länder" exportieren. 

Grüne Länder, das wären die EU-Staaten, mit der EU assoziierte Staaten, Nato-Staaten und ihnen gleichgestellte wie Australien, Japan, Neuseeland. Auch sollten Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in den zu beliefernden Ländern herrschen. Mit Mexiko, Saudi Arabien, aber auch mit der Türkei sollte es keine Geschäfte mehr geben.

Scheuch musste bald wieder gehen. Es hätte die Qualitätsprobleme nicht in den Griff bekommen, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Doch die größere Offenheit und später sogar die presseöffentlichen Aktionärsversammlungen blieben.

KritikerInnen haben viele Fragen

Nach einer Versammlung in einem alten Industriegelände in Rottweil im Dezember 2019 fand die nächste Versammlung coronabedingt im Internet statt. Bei beiden hatten Kritische AktionärInnnen, darunter der Friedensaktivist und langjährige HK-Kritiker Jürgen Grässlin, mit umfangreichen Fragenkatalogen Vorstand und Aufsichtsrat genervt. Das Aktienrecht erlaubt dies – auch wenn man nur eine von 27 Millionen Aktien hat.

Vor drei Jahren begannen Jens Bodo Koch als CEO und Björn Krönert als Finanzvorstand mit der Sanierung von Heckler und Koch, damals war die Firma beinahe pleite. Sie begannen den veralteten Maschinenpark zu erneuern, sie holten frühere Mitarbeiter zurück und versuchten mit professioneller Medienarbeit das Image des Waffenbauers zu verbessern. Bei der Aktionärsversammlung am 31. August dieses Jahres berichteten die beiden Vorstände Koch und Krönert und der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Runte von ihren Erfolgen. Auch sie erwartete ein umfangreicher Fragenkatalog, rund zwei Stunden brauchte das Trio, um die mehr als 160 Fragen und Unterfragen zu beantworten.

Am Ende der knapp vierstündigen virtuellen Versammlung stand ein Abstimmungsmarathon. Dabei ging es um eine – ausbleibende – Gewinnverteilung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und eine nochmalige Abstimmung zu Beschlüssen der letztjährigen Aktionärsversammlung. Erstaunlich: Bei den Aktionären stellte sich eine Minderheit von gut 25 Prozent den Mehrheitsaktionären entgegen. Die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre halten allerdings nur eine Handvoll Aktien. Hat der frühere Hauptaktionär Heeschen womöglich doch noch die Kontrolle über ein größeres Aktienpaket?

Waffenbauer voll auf Kurs

Zunächst aber hatten Koch und Krönert über die Lage des Oberndorfer Waffenherstellers berichtet: Das Jahr 2020 sei "das beste Geschäftsjahr seit langem", gewesen, freute sich Koch. "Und auch 2021 sind wir voll auf Kurs."

Auch habe HK in neue Produkte investiert. Ein Gewehr für Spezialkräfte von Polizei und Militär oder eine neue Pistole, die in die Hosentasche passt, zum Beispiel. Der Umsatz sei 2020 um etwa 15 Prozent auf 275 Millionen Euro gestiegen. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) habe fast 50 Millionen Euro betragen, gut 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Gewinn nach Steuern: 13,5 Millionen Euro. Kochs Fazit: "Heckler und Koch ist krisenfest und resilient aufgestellt."

Er lobte die Belegschaft, die wesentlich an der Gesundung des Unternehmens beteiligt gewesen sei. Man habe den Sanierungstarifvertrag beendet, der wöchentlich zweieinhalb Stunden unbezahlte Mehrarbeit vorsah. Im Gegenzug habe es keine Entlassungen gegeben und die heute 914 Beschäftigten hätten fast alle feste Stellen. Den Sanierungstarifvertrag habe man nicht verlängert, weil man ihn nicht mehr brauche. Aber auch, weil es dafür "keine Zustimmung des Tarifpartners", sprich der IG-Metall und des Betriebsrats, gegeben hätte, wie Koch hinzufügte. Im Frühjahr habe das Unternehmen jedem Mitarbeitenden 2500 Euro als Prämien ausgezahlt, so Finanzvorstand Krönert. Nach etwa 28 Millionen Investitionen in den Maschinenpark sei die Ausstattung nun "state of the art", versicherte Koch.

Im Zusammenhang mit der umstrittenen Sturmgewehrbeschaffung durch die Bundeswehr meinte Koch, sein Unternehmen habe das technisch und wirtschaftlich beste Angebot abgegeben. Das Beschaffungsamt (BAAINBw)  habe deshalb am 2. März 2021 geschrieben, die Bundeswehr wolle das HK-Gewehr beschaffen. Derzeit allerdings sei vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf noch eine zivilrechtliche Klage des unterlegenen Wettbewerbers, des Suhler Waffenherstellers Haenel gegen den Bund anhängig. Wenn darüber im kommenden Frühjahr entschiede sei, werde HK den Auftrag bekommen, war Koch überzeugt.

Corona und US-Wahlen bescheren beste Umsätze

Der Vorstandsboss ging auch auf den US-Markt ein. Dort sei HK sehr erfolgreich: "Unsere Produktion kommt kaum noch nach." Etwa ein Viertel des Umsatzes bei Pistolen mache HK mit den USA. Finanzchef Krönert ergänzte, Corona und der US-Präsidentschaftswahlkampf hätten den Umsatz "nach oben getrieben".

Schließlich kündigte Koch an, man werde eine eigene Serviceabteilung aufbauen, die gebrauchte Gewehre modernisiere. Als Beispiele nannte er ein britisches Gewehr und das G 36 der Bundeswehr.

In seinem Finanzbericht ging Krönert auch auf die Schuldenlage ein: Die Finanzschulden seien "auf etwa gleichem Niveau" geblieben. 2020 lagen sie bei 242,7 Millionen, derzeit bei 243 Millionen Euro. Es drohe keine Pleite, man sei auf Wachstumskurs, und die Schulden habe man weitgehend bei Großaktionären. Die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr sei anhaltend gut, Krönert rechnet mit einem Ergebnis leicht über dem Vorjahr.

Bei der anschließenden Fragerunde ließ der Aufsichtsratsvorsitzende Runte die Vorstände zunächst gut 100 Fragen der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantworten. Darin ging es um Rüstungsexporte in EU, NATO, NATO-assoziierte und andere Staaten. Nahezu alle EU-Staaten erhielten Waffen aus Oberndorf. Unter den NATO-Staaten sei die Türkei eine Ausnahme. Das Land sei "kein nachhaltiger Partner für Heckler und Koch", versicherte Koch.

Lizenzen für den Waffennachbau an andere Staaten habe das Unternehmen in den Jahren 2020 und 2021 nicht vergeben. Auch die "National Rifle Association" in den USA habe keine Waffen oder Spenden erhalten. Allerdings schalte HK Anzeigen in Printmedien dieser mächtigen wie umstrittenen Waffenlobbyorganisation. Gefragt, wie hoch der Marktanteil von HK am zivilen Waffenmarkt in den USA sei, schätzte Koch diesen auf "ein Prozent".

Stellung nahm Koch zu den Waffen-Exporten seines Unternehmens nach Indien, Indonesien, Singapur und Südkorea. Alle seien von der Bundesregierung genehmigt. Diese Länder seien Bestandteil der Grüne-Länder-Strategie. Bei Indien habe es sich um die Lieferung von Maschinenpistolen für eine Spezialeinheit des Innenministeriums gehandelt. Das deutsche Innenministerium habe eine jahrzehntelange Partnerschaft mit dem Innenministerium Indiens.

Fragen zu Waffen für die französische Fremdenlegion oder britische Spezialkräfte, denen immer wieder Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden, wischte Koch mit dem Hinweis beiseite, dass diese Teil der regulären Armeen ihrer Staaten seien. Ähnliches galt für Waffen für die umstrittene Frontex-Mission der Europäischen Union.

Keine Beteiligung an Opfer-Fonds

Nach dem Mexiko-Massaker mit 42 ermordeten Studenten hatten HK-Kritiker einen Opferfonds vorgeschlagen, an dem die Oberndorfer Waffenhersteller sich beteiligen sollten. Eine solche Beteiligung sei "nicht vorgesehen", erteilte Koch dieser Forderung eine Absage.

Auch habe "HK nicht vor, eine Rüstungskonversion zu betreiben", erklärte Krönert auf eine entsprechende Frage: "Heckler und Koch ist ein wesentlicher Teil der Sicherheitsarchitektur der freiheitlich-demokratischen Staaten und stattet staatliche Sicherheitsorgane aus."

Schließlich ging es den Kritischen AktionärInnen um die Rolle des Firmen(mit)gründers Edmund Koch im zweiten Weltkrieg. Dieser hatte in einer NS-Panzerfaustfabrik mit vielen Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen als Werkleiter fungiert. Sein Unternehmen habe den Auftrag erteilt, Edmund Kochs und die gesamte Firmengeschichte zu untersuchen, so Koch.

Bei den Fragen der anderen Aktionäre ging es unter anderem um die Rolle des Aufsichtsratsmitglieds Nicolaus Bocklandt, dessen Lebenslauf und seine Beziehungen zum Hauptaktionär Nicolas Walewski. Kritische Fragen gab es auch zu finanziellen Beziehungen nach Panama. Die gäbe es, aber sie würden "ausschließlich die private Vermögensgestaltung" Bocklandts betreffen.

Jürgen Grässlin ist enttäuscht

Für die Kritischen AktionärInnen hat Jürgen Grässlin auf die Versammlung  reagiert: "Bei H&K regiert eindimensionales Denken: Wir produzieren und exportieren Waffen – selbst an Staaten, die wie Indien, Indonesien und Südkorea die selbstgesetzte Grüne-Länder-Strategie konterkarieren – selbst an Militäreinheiten, die wie US-Spezialeinheiten und die französische Fremdenlegion mit H&K-Waffen schwere Menschenrechtsverletzungen begehen und völkerrechtswidrig intervenieren." 

Ärgerlich findet der jahrzehntelange HK-Kritiker auch, dass die Firmen-Spitze eine Rüstungskonversion rundweg ablehnt: "Wer sollte als ethisch und moralisch gesinnter Aktionär Geld in so ein Unternehmen investieren?"

Grässlin hatte 2016 dem damaligen Chef Scheuch die Zusage abgerungen, der Vorstand werde die Teilnahme an einem Fonds für die Opfer von Schusswaffen "prüfen". Dass Scheuchs Nachfolger das nun glatt abgelehnt haben, zeige, dass die Firma "die massive Schuld am weltweiten Massenmorden mit H&K-Waffen" ignoriere. "Dass sich die H&K-Führung stattdessen mit einer Art Fonds um Soldatinnen und Soldaten kümmern will, die zu Schaden gekommen sind, ist blanker Zynismus." Grässlin sieht dabei die Gefahr, dass Täter zu Opfern verklärt und sogar finanziell unterstützt würden.  

Einen Lichtblick sieht Grässlin im Eingeständnis, "dass der spätere H&K-Firmenmitbegründer Edmund Heckler in der Zeit des Naziregimes schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen und den Tod zahlreicher Menschen im NS-Rüstungswerk HASAG (zu verantworten) hat".

Insgesamt aber ist Grässlin enttäuscht: "Mit diesem Vorstand und Aufsichtsrat bleibt die H&K AG ein träger und ignorant agierender Dinosaurier. Motto: viel Rüstung und Panzer, wenig innovatives Hirn. Achtung: Die Dinosaurier sind ausgestorben."


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1 Kommentar verfügbar

  • Peter Nowak
    am 14.09.2021
    Antworten
    Am 8. Oktober wird es einen erneuten Besuch von Heckler und Koch geben, der dem Management wohl nicht gefallen wird.
    Die Initiative Rheinmetall-Entwaffnen plant einen Aktionstag in Oberndorf mit Kundgebungen vor den Eingängen von Heckler und Koch.
    Mehr Informationen gibt es hier:
    https://rhei…
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