Und damit zum nächsten Transparenz-Anlauf: HK hat kürzlich einen Profi als Pressesprecher angeheuert. Nach mehreren Stationen im Journalismus ist Marco Seliger seit Beginn dieses Jahres Kommunikationschef beim Oberndorfer Waffenhersteller – eine Position, die dort neu geschaffen wurde. Seliger war bei der Bundeswehr Pressesoldat, arbeitete als Lokalreporter für die "Schwäbische Zeitung", ging später für die FAZ als Reporter in Kriegsgebiete, um zu sehen, "wie Menschen dort leben und was der Krieg mit ihnen macht". Dann wurde er Chefredakteur von "loyal", der Zeitschrift des Reservistenverbands.
Der 47-Jährige war zu einem Gespräch über Schulden, Fehler in der Vergangenheit, die neue Strategie und die Eigentümer bereit. Seliger sagt, er habe nicht mehr im Journalismus arbeiten wollen, "weil es kaum noch Medien in Deutschland gibt, die bereit oder wirtschaftlich in der Lage sind, die Kosten für verteidigungspolitische Fachberichterstattung zu tragen". Warum er ausgerechnet beim Schmuddelkind der Industrie gelandet ist? Er habe sich immer gefragt, "warum die Kommunikation so miserabel ist". Die Firma habe – da versteht jemand seinen Job – weltweit anerkannte Spitzenprodukte und einen starken Namen. "Dass dieses Unternehmen in der deutschen Öffentlichkeit bisher als Paria betrachtet wurde, der ständig Kritik auf sich zieht, das mag so sein", sagt er. Er sei in Oberndorf angetreten, um das zu ändern.
Die Beschäftigten spucken in die Hände
Vor einigen Wochen hat Seliger stolz verkündet, dass HK nach mehreren Jahren wieder einen Gewinn erwirtschaftet hat. Gleichzeitig lasten Schulden in Höhe von 236 Millionen Euro auf dem Unternehmen, was in etwa dem Jahresumsatz entspricht. Doch Seliger verweist auf ein uneingeschränktes Testat, das die Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte kürzlich erteilt habe. "Wirtschaftlich sind wir im grünen Bereich." Für HK ist ein solches Testat wichtig, um den 250-Millionen Euro schweren Auftrag für die G 36-Nachfolge bei der Bundeswehr zu erhalten.
Bei der letzten HK-Hauptversammlung im Dezember 2019 haben sich die Vertreter der beiden Hauptanteilseigner Andreas Heeschen und Nicolas Walewski heftig beharkt. Die beiden früheren Freunde sind sich inzwischen spinnefeind. Heeschen hat ein Gutteil seiner Aktien an Walewski verpfändet, seine Stimmrechte aber behalten. Walewski würde gerne ganz übernehmen, doch als Franzose braucht er das OK der Bundesregierung. Da der Milliardär aus Paris auch mit Leuten geschäftlich verbandelt ist, die auf den Bermudas residieren und in den "Panama-Papers" auftauchen, lässt das Bundeswirtschaftsministerium den Bundesnachrichtendienst laut Medienberichten das Firmengeflecht Walewskis durchleuchten. Gefragt, wie es mit einer Genehmigung nun aussehe, teilt eine Sprecherin des Ministeriums mit, man könne "zu etwaigen Investitionsprüfungen ... aufgrund von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ganz grundsätzlich keine Auskunft geben". Laut HK-Sprecher Seliger liege der Antrag auf Übernahme nun schon mehr als 20 Monate beim Ministerium. Allerdings zeige das aktuelle operative Ergebnis, dass HK "von der schwelenden Eigentümerfrage wirtschaftlich nicht beeinträchtigt" werde.
Auch im Betrieb soll sich das Klima verbessert haben. Manche Arbeitsgerichtsverfahren in der Vergangenheit waren eher ungünstig für den Ruf der Firma. Als vor Jahren im Zuge der Mexiko-Affäre zwei fristlos Entlassene dagegen klagten, las der Richter aus internen Mails zu den Waffengeschäften mit Mexiko vor. So manchem Berichterstatter verschlug es die Sprache. Denn erstmals wurde da öffentlich, wie unverhohlen die gesetzlichen Bestimmungen umschifft wurden.
Seit gut einem halben Jahr sei die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung sehr konstruktiv und noch kooperativer geworden, meint Seliger dazu. "Alle Seiten haben verstanden, dass eine permanente, zum Teil öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung dem gesamten Unternehmen schadet." Mit der denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme hatten die IG-Metaller einer Vereinbarung zugestimmt, die bis Frühjahr 2021 unter anderem zwei Stunden Mehrarbeit pro Woche vorsieht. Die Mitarbeiter "beteiligen sich also aktiv an der Sanierung ihres Unternehmens", lobt Seliger.
Eigentlich ist die Regierung schuld
Der schlechte Ruf von HK rührt unter anderem daher, dass Güter des Unternehmens immer mal wieder in Bürgerkriegsgebieten oder bei Soldaten und Milizen, die für Diktatoren kämpfen, auftauchen. Doch im Gespräch verweist der Unternehmenssprecher darauf, dass die Waffen nicht nur aus Oberndorf stammen, sondern auch aus anderen Waffenfabriken, die etwa das G 3-Sturmgewehr in Lizenz fertigten. Standorte dafür gibt es beispielsweise in der Türkei, dem Iran oder Saudi-Arabien. Diese Lizenzen, sagt Seliger, habe aber nicht HK, sondern die Bundesregierung vergeben: "In den 1960er Jahren galten Iran und Saudi-Arabien für die damalige Bundesregierung als 'Bollwerk gegen den Kommunismus', die entsprechend unterstützt werden sollten."
Bei Waffenexporten, führt Seliger aus, gehe es nicht nur um Wirtschaftspolitik, die Bundesregierung verfolge mit der Genehmigung auch außen- und sicherheitspolitische Ziele. Sein Unternehmen wünschte sich, dass die Regierung "das gelegentlich deutlicher herausstreichen würde. Damit würde sich dann vielleicht auch die Klage etwas relativieren, dass HK-Waffen heute in Ländern sind, in denen sie möglicherweise besser nicht wären". Heute, sagt er, würde sein Unternehmen wohl vorsichtiger bei Lizenzvergaben handeln. Ob das eine Lehre sei, die HK aus der Vergangenheit gezogen hat? Seliger wird philosophisch: "Wenn man nicht aus der Vergangenheit lernen würde, dann hätte man keine Zukunft."
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!