Zwei Lager in der Chefetage
"Ich wollte, dass er abgelöst wird", sagte Joachim M. vor Gericht bezüglich des Hauptgeschäftsführers General M. Und das habe General M. bereits erfahren, als er noch auf dem Rückflug aus Frankreich gewesen sei. Anschließend habe es keine Kommunikation mehr zwischen dem Hauptgeschäftsführer und ihm gegeben. Er habe sich mit General M. immer mehr zerstritten.
Aufgrund einer Krebserkrankung und des "Streits mit meinem Chef" sei er 2007 bei HK ausgeschieden, erzählte Joachim M. – am 17. Juli als Ausfuhrverantwortlicher und am 31. August als Geschäftsführer. Nach 17 Jahren bei HK. Zu diesem Zeitpunkt sei auch das dienstliche Verhältnis zu den "Gefolgsleuten" des Generals gestört gewesen. Das damalige Verhältnis zur Vertriebsleitung bezeichnete der Angeklagte ausdrücklich als "sehr schlecht".
Auf die Frage, ob der damalige Vertriebsleiter Ingo S. – ebenfalls ein Angeklagter im Stuttgarter Prozess – zum Lager des Hauptgeschäftsführers gehört habe, sagte Joachim M.: "Es gab zwei Lager, und er war im einen Lager, und ich war im anderen."
Selbstreinigende Kräfte?
Doch auch General M. war nicht länger im Unternehmen – die Gründe dafür spielten in der Beweisaufnahme jedoch keine Rolle. In einem Organigramm vom 4. Juli 2007 war er jedenfalls nicht mehr als Vorsitzender der Geschäftsführung gelistet. Und Vertriebsleiter Ingo S. musste im Januar 2008 gehen. Vor Gericht schilderte er das so: "Ich bin ins Büro gerufen worden von der Geschäftsführung, und man hat mir mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis heute beendet sei. Ohne irgendwelche Diskussionen."
Nachdem die Staatsanwaltschaft wegen der Mexiko-Geschäfte zu ermitteln begonnen hatte, ging es für HK um viel. Die Firma beauftragte daher die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und Rechtsanwälte mit internen Ermittlungen. Das Ergebnis dieser "Sonderuntersuchung [...] zum Schutz des Unternehmens" wurde bei HK am Schwarzen Brett veröffentlicht – der Strafverteidiger der angeklagten Sachbearbeiterin zitierte aus dieser "Mitteilung der Geschäftsführung" vom 27. April 2013: "Das Ergebnis der in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft durchgeführten Sonderuntersuchung liegt der Geschäftsführung seit einigen Tagen vor [...]. Danach besteht zur Überzeugung der Geschäftsführung der dringende Tatverdacht gegen zwei langjährige Mitarbeiter, Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten in Zusammenwirkung mit einem Handelsvertreter in Mexiko veranlasst zu haben. Dies erfolgte durch die beiden Mitarbeiter eigenmächtig ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen."
Die beiden gemeinten Mitarbeiter, der Mexiko-Verantwortliche des Vertriebs und seine Sachbearbeiterin, wurden sofort freigestellt. Der Beschuldigte ist zwischenzeitlich verstorben – die Sachbearbeiterin sitzt als Angeklagte vor dem Landgericht. Sie berichtete, wie sehr sie sich einst mit dem Unternehmen identifiziert habe. 1981 hatte sie dort ihre Lehre begonnen – seitdem war sie bei HK. Das plötzliche Aus habe ihr "den Boden unter den Füßen weggezogen", sagte sie.
Unabhängig vom Ausgang des Strafprozesses in Stuttgart steht eines fest: Für keinen der genannten Prozessbeteiligten hat sich sein Einsatz für HK langfristig ausgezahlt – auch nicht für jene, die eine mindestens grenzwertige und womöglich strafbare Rüstungsexportpraxis betrieben oder mitgetragen haben, die dem Unternehmen millionenschwere Waffenverkäufe bescherte.
Das Beispiel der Sachbearbeiterin zeigt, dass sich selbst einfache Mitarbeiter gut überlegen müssen, ob sie einfach das tun, was ihr Vorgesetzter von ihnen – angeblich – verlangt. Der einstige Waffenvorführer Robert H. hat selber mitgedacht, dafür blieb ihm ein langes Ermittlungs- und Gerichtsverfahren erspart. Einen anderen Arbeitsplatz haben alle der genannten Prozessbeteiligten irgendwann gebraucht.
Urteil nach dem Lern-Prozess
Ein Rechtsanwalt der Firma hatte bereits zum Auftakt des Mexiko-Prozesses betont: "Heckler & Koch hat aus dem Vorgang gelernt." Das Unternehmen habe einen "grundlegenden Wandel" vollzogen und seine Vertriebsstrategie verändert sowie sein Compliance-System verbessert – also ein System, das die Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen sicherstellen soll. Am kommenden Donnerstag, 24. Januar, wird die Staatsanwaltschaft plädieren – für den 21. Februar plant die Wirtschaftskammer des Stuttgarter Landgerichts die Urteilsverkündung.
Andreas Ellinger hat 22 von bisher 25 Prozesstagen im HK-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht verfolgt. Der Journalist protokolliert gemeinsam mit dem früheren Bundestagsabgeordneten und Rüstungsexperten Jan van Aken <link https: www.rosalux.de _blank external-link-new-window>alle relevanten Details der Verhandlungstage seit dem 15. Mai 2018.
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Ernst-Friedrich Harmsen
am 23.01.2019