Schließlich, am 5. November 2015, erhebt die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen sechs Beschuldigte, gegen 13 weitere stellt sie das Verfahren ein. Es dauert noch einmal ein halbes Jahr, bis das Landgericht Stuttgart am 18. Mai 2016 einen "Eröffnungsbeschluss" verkündet. Dass es sich dann noch weitere zwei Jahre hinzieht, bis Richter Maurer fünf der sechs Angeklagten und ihre Anwälte vor sich sitzen hat, das liegt an der Vielzahl von Verfahren, die die Stuttgarter Spezialisten zu bearbeiten haben: von Porsche über Schlecker bis hin zu einer Autoschieberbande.
Nun sitzen hier unter anderem zwei ehemalige H&K-Geschäftsführer auf der Anklagebank. Vier der fünf Beschuldigten sollen laut Staatsanwaltschaft in unterschiedlicher Beteiligung "als Mitglieder einer Bande" ohne Genehmigung Kriegswaffen ausgeführt haben. Der fünfte habe fahrlässig gehandelt. Die Angeklagten waren zwischen 2005 und 2009 zu unterschiedlichen Zeiten bei Heckler & Koch und hätten dafür gesorgt, dass etwa 4700 G-36-Gewehre im Wert von mehr als vier Millionen Euro in vier mexikanische Bundesstaaten - Chihuahua, Guerrero, Jalisco und Chiapas - geliefert wurden, obwohl der Waffenexport in diese Unruhe-Regionen illegal ist. Alle hätten, wie die Staatsanwaltschaft ausführt, gewusst, dass die Ausfuhren nicht erlaubt waren, es aber geduldet oder nicht verhindert, weil sie sich "eine nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle" versprachen.
Gretchenfrage: Was war der Inhalt der Exportgenehmigung?
Die Anwälte der Angeklagten weisen das samt und sonders zurück. Ihre Mandantin - auch eine ehemalige Sachbearbeiterin sitzt auf der Anklagebank - oder Mandanten seien nicht schuldig, oder die Anklage sei "fragwürdig und falsch", oder die vorgeworfenen Taten seien bereits verjährt. Wie Richter Maurer bereits am ersten Verhandlungstag meinte, sei die Gretchenfrage des Verfahrens: Was war der Inhalt der Exportgenehmigung? Gehörte eine Endverbleibserklärung dazu? Sollte diese gefehlt haben, läge der Fehler nach der Argumentation des Richters nicht bei der Waffenschmiede, sondern den Bundesbehörden.
Bei einer Endverbleibserklärung handelt es sich um ein Stück Papier, mit dem sichergestellt werden soll, dass deutsche Waffen nicht in die falschen Hände geraten. Da die Bundesregierung Waffenexporte in vier mexikanische Krisengebiete, darunter Guerrero und Chiapas, verboten hatte, durften die Namen der vier Unruheprovinzen in einer solchen Erklärung nicht auftauchen. Das taten sie aber zunächst - und wurden dann durch neue, unverdächtige ausgetauscht, so der Vorwurf. Ein weiteres Problem: Weil die deutschen Behörden nicht kontrollierten, ob sich die Empfängerländer an die Erklärungen halten, funktioniere das nicht, sagte der Angeklagte Peter B. am zweiten Verhandlungstag. Mitarbeiter aus dem Bundeswirtschaftsministerium hätten ihm bezüglich der kritischen mexikanischen Bundesstaaten empfohlen, die doch einfach aus den Anträgen raus zu nehmen, "dann geht das komplikationslos weiter".
An einem späteren Prozesstag sagt der damals zuständige Beamte aus dem Wirtschaftsministerium, Claus W., es sei klar gewesen, dass der Endverbleib schwer zu kontrollieren sei. "Fort ist fort. Wenn's außerhalb der deutschen Grenzen ist, kann man da, selbst wenn man Purzelbäume schlägt, nichts mehr daran ändern, wenn der Vertragspartner sich nicht vertragsgerecht verhält." Offenbar ist das inzwischen auch der Bundesregierung klar geworden, die in der vergangenen Legislaturperiode "Post-Shipment-Kontrollen" eingeführt hat.
H&K sei der mexikanische Markt wichtig gewesen, um Colt auszustechen
Steffen E. vom Zollkriminalamt in Köln, der im Fall ermittelt hat, sagt als Zeuge aus, die Leute bei H&K hätten genau gewusst, dass die Gewehre auch in die nicht genehmigten Staaten gingen. Den Managern in Oberndorf sei der mexikanische Markt wichtig gewesen, um den US-Konkurrenten Colt dort auszustechen. Wie aktiv H&K vor Ort war, haben zwei Waffenvorführer bei Vernehmungen durch das Zollkriminalamt deutlich gemacht. Sie waren in Jalisco und Guerrero, zwei der Unruhestaaten, und haben dort die Polizisten vor Ort waffentechnisch in die Gewehre eingewiesen. Das bestätigten ihre Reisekostenabrechnungen für diese Bundesstaaten.
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Ist das eigentlich ein hochdotierter Posten, Präsident beim VfB? Hat dieser dubiose Ex-S 21-Sprecher denn nicht genügend Kohle anderweitig gemacht? Muß er sich mit 70 unbedingt noch präsidial aufplustern? Aber offenbar findet sich niemand aus einer...
Wir waren froh und erleichtert über dieses Urteil - Herzlichen Glückwunsch! Überrascht war ich über den Dank an den "Spiegel" - war dort die Berichterstattung doch stets hinter der Bezahlschranke und auf der Startseite nicht präsent. Aber vielleicht ist...
"Das Landgericht Mannheim sah sich außer Stande, zu beurteilen, ob die Chat-Protokolle gefälscht sein könnten." Ist das nicht auch dieses Landgericht, das so überaus emsig bei der Verfolgung des angeblichen Vergewaltigers Kachelmann vorging?
@Ge La, meinen Sie das wirklich? „Die Gewaltenteilung funktioniert zum Glück ,“ Wenn ja, wo haben Sie Ihre Schulbildung „abgesessen“?!? Bereits im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde in ebensolcher Weise weiter gegen...
Weiter so, geht es schon wieder los in Deutschland, dass solche Leute vor Gericht recht bekommen und dann mit so einer Aussage des Vorsitzenden Richters Stojek, das gibt zu denken.
Das ist wirklich eine gute Nachricht!
Der gemessene und somit statistisch erfasste Stromverbrauch in der entwickelten Welt stagniert bzw. nimmt stark und kontinuierlich ab: https://moderndiplomacy.eu/2019/02/14/the-mysterious-case-of-disappearing-electricity-demand/ Teilweise ist das auf selbst...
Die Nakba-Ausstellung, die zur Zeit von der VHS Reutlingen gezeigt wird, dokumentiert klar nachvollziehbar und mit den entsprechenden Nachweisen die wissenschaftliche Diskussion, die sich spätestens seit den 1980er Jahren (international noch früher) an den...
Wunderbar! Die Gewaltenteilung funktioniert zum Glück , auch dank der professionellen Recherchen und dem durchhaltevermögen von Kontext!
Sehr erfreulich und trotzdem stellt sich im Moment noch die Frage, ob Herr Grauf nicht gezwungermaßen das Hauptsacheverfahren "anleiern" könnte, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Staatsanwaltschaft wegen seiner Eidesstattlichen Versicherung, dass die...
Herzlichen Glückwunsch zu dieser OLG-Entscheidung und Dank an Sie alle bei kontext für Ihre Standhaftigkeit. Die Freude war groß.
Danke, auch dafür, dass es KONTEXT gibt! "Der erste Kommentar kam von Edzard Reuter: "Die Feinde unserer Demokratie können sich nicht im Dunkeln verstecken!" KONTEXT schaut hin indes halb bin ich dabei! Der Klügere gibt nicht nach - alles andere wäre...
Ich denke, das eine neutrale Aufarbeitung der Fluchtbewegungen nötig ist. Zur gleichen Zeit wurden in allen arabischen Staaten Menschen jüdischen Glaubens vertrieben. Die Ausstellung ist gründlich mißlungen und wird berechtigterweise kritische Stimmen...
Eine tolle Nachricht!! Danke, dass ihr durchgehalten habt! Weiter so!
Es gibt doch noch gute Nachrichten für den Journalismus - Glückwunsch zum Erfolg und dran bleiben