Links, rechts, leise schnurrt der Rasenroboter am Zaun entlang. Bis zur Mauer. Wendet. Perfekt gestutzt liegt das Rasenstück da. Ringsum beobachtet von Überwachungskameras. Der kleine Roboter hat einen besonderen Arbeitsplatz: das Werksgelände von Heckler und Koch (HK) in Oberndorf-Lindenhof.
Wahrscheinlich ist er derzeit der einzige der etwa 950 Mitarbeiter auf dem weitläufigen Gelände, der einfach so seine Arbeit macht. Den meisten anderen dürfte der Kopf wo ganz anders stehen. Seit Monaten kommt das Unternehmen nicht aus den Schlagzeilen. Erst das Verfahren wegen illegaler Waffenexporte nach Mexiko, der Skandal um das Sturmgewehr G36, dann der Streit um die Mehrheit der Aktien, den der französische Milliardär Nicolas Walewski gegen seinen früheren Partner Andreas Heeschen gewann. Jetzt der mögliche Verlust eines 250-Millionen- Euro-Großauftrags der Bundeswehr an einen Rüstungs-Zwerg aus Thüringen. Zu alledem auch noch die Enthüllung der "Bild am Sonntag" (BamS) Anfang September, wonach der HK-Mitgründer Edmund Heckler im Zweiten Weltkrieg im sächsischen Taucha einen Rüstungsbetrieb geführt hat, in dem mehr als 1.000 KZ-Häftlinge, - überwiegend Juden, Sinti und Roma - unter schlimmsten Bedingungen schuften mussten.
Der Firmengründer und die Zwangsarbeiter
In Taucha, einer Kleinstadt mit heute 15.000 Einwohnern in der Nähe von Leipzig, ließ die SS zunächst ein Frauen-KZ für 1.200 Frauen bauen, später kam das Männer-KZ für 440 Häftlinge hinzu. Der Fotograf Herbert Naumann, der sich intensiv mit den KZs und den Außenlagern beschäftigt hat, berichtet von "ganz schlimmen Bedingungen" im Frauenlager Taucha. Die hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung seien katastrophal gewesen. Viele Frauen seien deshalb auch an Krankheiten gestorben. "Erhängungen sind im Lager häufig vorgekommen", berichtete 1969 Hildegard Särgel laut "BamS" als Zeugin der Kripo in Hamburg. "Bei derartigen Exekutionen mussten wir auf dem Appellplatz antreten."
Als Betriebsführer war Edmund Heckler für die Arbeitsbedingungen in seinem Werk verantwortlich. Doch als der Krieg im Mai 1945 endlich vorbei war, wollte er von Verantwortung nichts mehr wissen: Der Bürgermeister von Taucha schrieb der HASAG-Werksleitung, im Ort irrten ehemalige KZ-Häftlinge umher, verlumpt und ohne Essen. Die Menschen hätten doch zuvor für die HASAG gearbeitet, das Werk möge sich um sie kümmern. Der Leiter des Werkes Taucha 1, Edmund Heckler persönlich, brachte einen Brief ins Rathaus: "Wir bitten zu bedenken, dass es nicht Sache der HASAG sein konnte, die früher bei ihr eingesetzt gewesenen KZ-Häftlinge mit Kleidung usw. auszustatten."
"Das war überhaupt nicht bekannt", Ulrich Pfaff ist sichtlich betroffen von den Enthüllungen. Der pensionierte Theologe war in Oberndorf Schulkamerad einer Tochter von Edmund Heckler. "Wir alle hätten an so etwas nie gedacht."
Edmund Heckler, geboren am 2. Februar 1906, wächst als Sohn des Oberndorfer Stadtschultheiß' Kilian Heckler auf. Er beginnt nach der Realschule eine Lehre beim Waffenhersteller Mauser in Oberndorf und studiert ab 1925 an der Maschinenbau-Schule in Esslingen. Dort hat er seine späteren Firmenmitgründer Theodor Koch und Alex Seidel getroffen. Mit Seidel war er in einer der Esslinger Studentenverbindung, wie ein Foto in der Firmenchronik zeigt. In den 30er Jahren arbeitet Koch als Betriebsleiter für den Werkzeug- und Vorrichtungsbau und Seidel in der Konstruktion von Pistolen bei Mauser. Heckler geht 1936 zum Rüstungskonzern HASAG. Als Oberingenieur baute er die HASAG Zweigwerke in Leipzig, Berlin, Taucha und Altenburg auf und leitete die drei Letzteren, wie man der Heckler-und-Koch-Firmenchronik aus dem Jahr 1999 entnehmen kann. Was er dort in Taucha machte, erfährt man aus der Chronik nicht. Nur: "Der vernichtende Zweite Weltkrieg beendet auch seine Karriere." Es seien ihm nur "seine Erfahrung und sein Können geblieben", mit denen es 1945 "den Heimatverbundenen wieder nach Oberndorf" getrieben habe.
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Hella Bauer
am 26.09.2020