Die Geschichte von Stuttgart 21 ist vor allem eines: die Geschichte immer wiederkehrender Kostensteigerungen. Wurden die Projektkosten anfangs, Mitte der 1990er, noch auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt, spricht die Bahn Stand heute von einem Finanzierungsrahmen in Höhe von 8,2 Milliarden Euro – schon mit eingerechnet ist ein Risikopuffer von rund 500 Millionen. Seit Januar 2018 ist dies der offizielle Betrag, und seitdem hat die Bahn bzw. die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU), die innerhalb der DB AG für Stuttgart 21 zuständig ist, Spekulationen über weitere Kostensteigerungen stets dementiert. Noch auf der letzten Sitzung des S-21-Lenkungskreises im Oktober 2020 betonte Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla, die 8,2 Milliarden würden reichen: "Wir sind im Kostenplan."
Aus internen Unterlagen der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU), die Kontext vorliegen, geht jedoch hervor, dass zumindest im Stuttgarter S-21-Projektbüro damit gerechnet wird, dass dieser Puffer nicht reichen könnte. Und dass die PSU bereits im Oktober/November 2019 mit sehr konkreten Zahlen für Mehrkosten kalkulierte – und zwei Szenarien der Kostenentwicklung entwarf.
Im günstigeren Szenario, dem "Best Case", steige der finanzielle Mehrbedarf ab 2020 nach Abzug des Vorsorgepuffers um insgesamt 426 Millionen Euro. Im "Worst Case" aber komme dazu noch eine Milliarde obendrauf, da betrage der Mehrbedarf schon 1,422 Milliarden. Aus den Unterlagen geht auch hervor, dass der jetzige Kostenrahmen maximal bis einschließlich 2021 reicht: Bis dahin könne man bestenfalls sogar noch mit 40 Millionen Euro weniger als bereitgestellt auskommen. Im schlechtesten Falle aber liegt der nicht gedeckte Mehrbedarf schon allein für 2020 und 2021 bei 412 Millionen Euro.
Anhand dieser Unterlagen lägen die gesamten S-21-Kosten mit rund 8,2 plus 1,4 Milliarden dann bei 9,6 Milliarden.
9,6 Milliarden – ohne Gäubahnanschluss
Eine Zahl, die erstaunlich nahe an den Berechnungen des Bundesrechnungshofs liegt. Der hatte schon 2016, vor vier Jahren, mit rund zehn Milliarden gerechnet. Allerdings hatten die obersten Finanzprüfer des Bundes das gesamte Projekt für ihre Prognose betrachtet – während in den Kontext vorliegenden Dokumenten ein gewichtiger Posten fehlt: der Gäubahnanschluss, auch bekannt als Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1.3b, einer der kompliziertesten und umstrittensten Abschnitte des Projekts. Es handele sich um eine "vereinfachte Summenbetrachtung über das Gesamtprojekt S21 (ohne PFA 1.3b)", steht in den Unterlagen der Projektgesellschaft. Und weil sie Ende 2019 erstellt wurden, sind auch Pandemie-bedingte Kostensteigerungen aus dem Corona-Jahr 2020 noch nicht mit eingerechnet.
21 Kommentare verfügbar
Nico
am 11.12.2020Ja. Davon kann man ausgehen.
"Noch Fragen, Kienzle?"