Als Karikaturist ist man ja immer froh, wenn das qua Amt zu karikierende politische Personal einige sehr prägnante physiognomische, frisürliche oder modische Besonderheiten mitbringt, mit deren Übertreibung man sich dann zur Not auch an einer allzu intensiven Beschäftigung mit anderen äußeren Merkmalen vorbei mogeln kann. Das hat mein überaus geschätzter Kollege Klaus Stuttmann auch einmal in einer wunderbaren Karikatur nach Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten im Oktober 2016 thematisiert. Kurz danach entschloss er sich dazu, Trump fortan nur noch mit einem Donald-Duck-Schnabel zu karikieren, und auch wenn gezeichnete Tier-Mensch-Chimären manchmal eine heikle Sache sind – hier passt's perfekt.
Trump war allein durch die US-Präsidentschaftswahl eines der großen Themen für KarikaturistInnen im Jahr 2020, wobei die eher baden-württemberg-bezogene Berichterstattung in Kontext leider wenig Ansatzpunkte bot, sich dem orangefarbenen Narzissten zu widmen. Aber immerhin einmal, zur 500. Ausgabe mit Klimaschwerpunkt, ließ sich dann doch ein Vorwand finden.
Das andere große Thema war, ganz klar, Corona. Etwas abgeschmackt erscheint im Rückblick der gezeichnete Klopapier-Witz im März, doch zum Glück boten die Begleiterscheinungen des Virus noch ein paar Ansatzpunkte mehr. Zum Beispiel für meine allererste Pickelhauben-Karikatur, nachdem die Beschäftigung mit dem Preußen-Deckel bislang nur eine theoretische war.
Als zumindest in karikaturistischer Hinsicht sehr erfreulich erwies sich im November die Stuttgarter OB-Wahl. Schon im Vorfeld: Beide aussichtsreichsten AnwärterInnen, sowohl Veronika Kienzle als auch Frank Nopper, ziert ein überaus prominentes Kinn, dessen Übertreibung schon die halbe karikaturistische Miete ist, während das knitterfreie und leicht pausbäckige Babyface Marian Schreiers trotz voluminös nach hinten gestylter Haarpracht eine weit größere Herausforderung darstellt. Uneinholbar im Verzerrungspotential war aber von Anfang an der Noch-Backnanger OB, weil der nicht nur ein ausgewachsener Geck ist, sondern auch physiognomisch einiges mitbringt: Die imposante Hakennase (Nopper würde sagen: "Riesel")! Dieser Drang, die Zähne breitgrinsend zu blecken! Diese mit Unmengen von Gel oder Haarwachs nach hinten gestriegelten Haare, die – da nimmt des Karikaturisten Glück bald überhand – auch noch eine deutliche Welle aufweisen, was ihre Bändigung offenbar erschwert und mal hier, mal da ein paar Strähnen oder Büschel aus der Reihe tanzen lässt! Herrlich.
Nopper-Freund Günther Oettinger, der in Sachen Zinken und Krause übrigens einige interessante Ähnlichkeiten aufweist, geht da ja einen anderen Weg: Er stylt, früher noch mehr, seine Haarpracht mit mutmaßlich Tonnen von Haarspray stets so akkurat betonartig, dass sie in Krisengebieten wohl einen guten Splitterschutz böten. Schutz gegen zweifelhafte Nebenjobs dagegen nicht, was auch ihn dieses Jahr zum Motiv hat werden lassen.
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