Als Andreas Baur, der Leiter der Städtischen Galerie Villa Merkel, vor zwei Jahren die "Esslinger Wagenhalle" zum ersten Mal betrat, dachte er sofort, dass er hier gern einmal eine Ausstellung machen würde. Es war am Tag des offenen Denkmals, und Baur ließ nicht locker, bis er den Eigentümer der Immobilie ausfindig gemacht hatte – der anonym bleiben will und auch Kontext nicht bekannt ist. Dieser schlug ein Treffen in einem Nobelhotel vor. Der Unbekannte sammelt selbst Kunst – wenn auch andere, als in der Villa Merkel ausgestellt ist – und war nicht abgeneigt. So kommt es, dass die Galerie derzeit nicht nur ihr angestammtes Haus, die Industriellenvilla im Merkelpark, bespielt, sondern überdies die riesige Halle des früheren Esslinger Eisenbahnausbesserungswerks (EAW), die einen Kilometer entfernt liegt.
"Good Space" heißt die aktuelle Ausstellung, und im Untertitel gut englisch-deutsch: "Communities oder das Versprechen von Glück". Das klingt verheißungsvoll, und das soll es wohl auch. Wobei, wer da was verspricht oder welche Gemeinschaften gemeint sind, erst mal offen bleibt: "Der Zusammenhalt von Gemeinschaften zeichnet sich durch etwas Verbindendes aus", heißt es im Ankündigungstext, "seien dies geteilte Wertvorstellungen oder Identitätsentwürfe, seien dies Normen oder Regeln. Doch dem Verbindenden inhärent ist immer auch Ab- und Ausgrenzung. Die Frage danach, was das Wir bestimmt, ist voller – auch politischer – Brisanz." Sicher ist in diesem Fall kein nationalistisch-ausgrenzendes Wir-Gefühl gemeint: Die Künstlerinnen und Künstler kommen aus vielen Ländern, von Kanada bis zu den Philippinen.
Ein Sonderetat ermöglicht das große Projekt
Dass die Villa Merkel so ein großes Projekt an zwei Orten gleichzeitig stemmen kann, hängt damit zusammen, dass sie alle drei Jahre für eine Ausstellung mehr Geld zur Verfügung hat als sonst. Im städtischen Haushalt gibt es einen Sonderetat, der im Wechsel mit historischen und anderen Projekten (wie im vorigen Jahr der "Stadt der Frauen") von der Galerie in Anspruch genommen werden kann. Früher war dieser Topf für die Foto-Triennale da, begründet 1989 von Alexander Tolnay. Auf ihn folgte zwei Jahre später Renate Wiehager, die heutige Leiterin der Daimler Kunstsammlung. Mit den Direktoren hat sich das Profil der Galerie immer wieder geändert. Anfangs, in den siebziger Jahren, standen in Vergessenheit geratene Esslinger Künstler der Moderne wie Rolf Nesch, Hermann Sohn, Adolf Fleischmann oder Volker Böhringer im Mittelpunkt. Wiehager setzte dagegen auf abstrakte und konzeptuelle Kunst der Nachkriegszeit wie etwa die Gruppe Zero.
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