Bräunlich in der oberen rechten Ecke, nach unten links immer blasser: Auf den ersten Blick sieht das aquarellierte Blatt von Gabrielle Zimmermann nach abstrakter Kunst aus. Stünde da nicht unten, mit Schreibmaschine getippt: "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen". Dazu informiert das Schild mit den Bildangaben, das Blatt sei mit Blut und Wasser gemalt. Auf den ersten Blick unscheinbar, harmlos, steckt mehr in dem Blatt Schreibmaschinenpapier. Wie in dem sich unschuldig gebenden Spruch der neuen, fremdenfeindlichen Rechten.
Zimmermann ist eine von rund 30 Künstlerinnen und Künstlern, die auf die Ausschreibung des Kunstvereins Zero Arts reagiert haben. Seit 2006 gibt es den kleinen Kunstraum in der Stuttgarter Ostendstraße, gegründet, um frei von kommerziellen Zwängen aktuelle Kunst vorzustellen. Keiner der Beteiligten lebt von seiner Kunst. Oliver Herrmann, der die Organisation der Ausstellung übernommen hat, macht auch die Öffentlichkeitsarbeit im Freien Radio für Stuttgart.
Normalerweise finden bei Zero Arts nur Einzelausstellungen statt. Für mehr reichen die Souterrain-Räume in der Nähe der Villa Berg kaum aus. Doch im vergangenen Jahr, auch unter dem Eindruck der Documenta, kam es zu angeregten Diskussionen: Wie politisch darf Kunst sein? Was ist überhaupt politische Kunst? Welche Wirkung kann Kunst haben? Besorgt über die zunehmenden populistischen und rechtsextremen Tendenzen von Pegida bis Donald Trump, beschloss der Verein, mit einer Ausschreibung zur Auseinandersetzung aufzurufen. Die Resonanz war groß: Vorschläge kamen aus Stuttgart, aus dem Umland, sogar aus Berlin. Fast alle Arbeiten sind nun in der Ausstellung zu sehen, auch wenn es nicht einfach war, sie alle unterzubringen.
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Es gibt Gemälde, Aquarelle, Collagen, Zeichnungen und Druckgrafik, plastische Arbeiten und Installationen, Fotografie, Video, Konzeptkunst und Arbeiten zum Mitmachen: Gloria Keller lädt ein, Ziegelsteine mit rosa Wolle zu umstricken, in Erinnerung an die Pink Pussyhats der Frauen-Proteste gegen Donald Trump. Brigitte Neufeldt stellte eine Interviewanfrage an Josef Schuster, den Präsidenten des Zentralrats der Juden. Statt ihr selbst Rede und Antwort zu stehen, schickte er ein fertiges Interview mit der Bild-Zeitung, das sie nun kommentarlos ausstellt. Matthias Schneider-Hollek hat in einer Klangcollage Originaltöne zusammengeschnitten. Ein Redner schwadroniert vom "Bevölkerungsüberschuss Afrikas", den Europa nicht aufnehmen könne. "Will mich nicht dazu äußern. Bin kein Nazi", sagt eine Frauenstimme.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!