Begonnen hat es 1989 aus Solidarität mit den hungerstreikenden RAF-Häftlingen. Seitdem sind die revolutionären Knastspaziergänge an Silvester linke Tradition und die letzten Demos des Jahres. Weiß nur kaum einer, der nicht im Gefängnis sitzt. Die Häftlinge jedenfalls feiern die revolutionäre Jahresend-Sause vor den Gitterstäben jedes Mal. Manchmal sogar mit flammenden Klopapierschlange, die sie aus den Fenstern hängen.
Abgesehen vom Spaß am Böllern – Bengalos und Silvester-Raketen sind am 31.12. ja Allgemeingut und deshalb repressionsfrei erlaubt – transportieren die Silvester-DemonstrantInnen natürlich auch Botschaften vor die Vollzugsanstalten, die sie als die letzten "totalen Disziplinierungsinstitutionen" des Staates betrachten.
In Stuttgart etwa zogen 150 AktivistInnen unter dem Motto "Beton bricht – Solidarität nicht! Kapitalismus bekämpfen" um das ehemalige RAF-Gefängnis Stammheim. "Der Knast ist auch heute noch das härteste legale Mittel des deutschen Staates, um politischen Widerstand zu bekämpfen", schreiben die Organisatoren in ihrem Aufruf.
In München zog man "in guter linker Tradition ... lautstark und kämpferisch zum Gefängnis Stadelheim, um den dort Inhaftierten zu zeigen: Ihr seid nicht allein!" In Berlin Moabit liefen AktivistInnen knallernd gegen Ausbeutung von Gefangenen und setzten "ein kraftvolles Zeichen der Solidarität ... mit den Menschen, welche Gesetze und bürgerliche Normen gebrochen haben, deswegen von der Justiz weggesperrt und in den Betrieben der Knäste unter den prekärsten Bedingungen ausgebeutet werden." Hamburger Aktivisten behängten eine Autobahnbrücke in der Nähe der JVA Billwerder mit einem Transparent "in Solidarität mit den G20-Untersuchungshäftlingen". Und auch in Köln-Ossendorf waren "knastkritische Menschen mit solidarischen Grüßen" unterwegs.
Bleibt nur eine Frage: Warum hat eigentlich keiner in Schwäbisch Gmünd geböllert? Da steht immerhin der Frauenknast.
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Wolfgang Zaininger
am 05.01.2018