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Nackt in Oberschwaben

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In Oberschwaben Nackte malen - das ist riskant. Wenn es dann auch noch in einem Schloss in Bad Waldsee ist, bleibt nur noch die Flucht. In dem konservativen Landstrich mag man das Bloße entweder als Putte oder nicht öffentlich.

Den Maler Jürgen Frankenhauser-Erlitz und die versierte Kunstpädagogin Petra Mang von Hinten verbindet eine tiefe Freundschaft. Rein platonisch versteht sich. Und so geht es: Sie planen eine Ausstellung mit Akten, bei denen sie sich Modell stehen, mit Werken, an denen sie gemeinsam malen. Nur gibt es dabei ein Problem: In einer (über)sexualisierten Gesellschaft, in der Pornographie allgegenwärtig ist, gilt "Nackte Kunst", insbesondere Aktmalerei, mancherorts - und vor allem im tiefgläubigen Oberschwaben - noch immer als verpönt. Unbekleidete Putten in Kirchen sind aber okay.

Beide Künstler schütteln verständnislos den Kopf. Denn weder sind die Bilder anstößig, noch spielte bei ihrer Entstehung Erotik eine Rolle. Sex zwischen Künstler und Modell ist Klischee. "Als Künstler ist man bestrebt, ein gutes Werk abzuliefern", sagt Frankenhauser-Erlitz, "da bleibt keine Zeit für erotische Männerträume." Dem Modell geht es ähnlich: Bewegungslos in der gleichen Pose zu verharren, ist auf Dauer eher kräftezehrend als erregend. Das Ziel des Künstlers ist es dann auch nicht, einfach nackte Menschen zu malen. Sondern "das, was Du von oder in einem Modell siehst, aufs Papier zu bringen." Weil jeder Mensch seine eigene Schönheit hat.

Doch zurück zur Freundschaft der beiden, die so viel verbindet – plus: die Kunst. Schon dass sie einander Modell stehen, dass sie sich zeichnen und malen, ist ungewöhnlich. Ebenfalls, dass sie gemeinsam an einem Werk arbeiten, ist doch des Künstlers Seele oft genug eine eher individuelle. Vereint füllen sie nun eine weiße Leinwand. "Jeder hat seine Sichtweise, seine Art zu arbeiten", erklärt Mang von Hinten. "Jeder lernt vom anderen. Reflektiert sein Tun. Ein intimer Austausch." Frankenhauser-Erlitz sagt: "Ihre und meine Kunst verschmelzen. So entsteht ein Geben und Nehmen im gemeinsamen Tun."

Was der gemeinsamen Ausstellung ihres vereinten Schöpfens im Weg steht, ist vor allem die Prüderie. Denn die schönen Künste sind tatsächlich immer noch für einen Aufreger gut. "Und dies, obwohl in der Aktfotografie der Porno-Effekt schneller eintritt, weil erheblich realistischer als die zur Interpretation einladende Zeichnerei oder Malerei", erläutert Mang von Hinten. 

Nackt beim Blutritt - das geht gar nicht

Schon vorgekommen, dass ein Betrachter der Akte sich über die "nackten Busen und Hinterteile" beschwert, aber selber gerne am FKK-Strand liegt, erzählen die beiden. "Scheinheilige Doppelmoral" nennt Frankenhauser-Erlitz das. Im Gegensatz zu seiner Künstlerfreundin, die nur in Saunen und im privatem Rahmen ausstellt, hat Frankenhauser-Erlitz schon häufiger mit moralischer Kritik, Zensur und öffentlichem Bashing zu kämpfen gehabt. Und das nicht nur, wenn es um Nackte geht.

Des Vegetariers Werk zur kritischen Auseinandersetzung mit Massentierhaltung wurde aus einer Tierarztpraxis verbannt. Herrchen und Frauchen mögen lieber kuschelige Tierfotos. "Ich aber will zeigen, was Fakt ist", so der Unbeugsame. Er glaubt, dass seine Kunst aneckt, weil der Betrachter sich ertappt fühlt. "Mir geht es nicht ums Provozieren, ich möchte nur die Wahrheit nicht verschleiern", sagt er.

Angeeckt ist er vor allem mit seinem Opus zum Blutritt in seiner Heimatstadt Weingarten. Speziell, dass sein Œuvre zur heiligen Prozession auch Aktgemälde enthielt, entrüstete. Eine Halbnackte reitet einen Nackten, die Reitgerte bereit, den Allerwertesten zu touchieren, die Zügel der geschmückten Trense fest in der Hand, an der Wand über die ganze Szene wachend Jesus am Kreuz umringt von allerlei Devotionalien. Ein anderes zeigt den Hintern einer Frau, groß und im Höschen, geritten von einem Blutreiter, während die Frau mit Kehrschaufel und Kehrbesen Pferdeäpfel zusammenfegt. Die Frau muss arbeiten und der Mann hockt drauf, das Frauenbild dieser ganzen Traditions-Prozession sei unmöglich, sagt der Maler. 

Genau deswegen ist Jürgen Frankenhauser-Erlitz in der Heimat nun eine Persona non grata. Für ihn gilt ein unausgesprochenes Ausstellungsverbot in öffentlichen Gebäuden der Welfenstadt Weingarten. Er musste schon bei mehreren Ausstellungen eine Zensur seiner Werke erdulden, teils wurden Bilder hinter Tüchern verhüllt. Einmal nahm er seine Gemälde vor der Vernissage wieder mit; zu heftig die Zensur. Dass er bekennender Christ ist, sich tiefgründig-gläubig mit christlicher Moral auseinandersetzt, ging dabei immer unter.

Im fürstlichen Schloss ist kein Platz mehr

Den Shitstorm zu seinen Blutrittsbildern hielt er aus; er lud sogar zum Dialog mit seinen Kritikern ein. Die Blutreiter kamen aber nicht selbst, sondern schickten ihre Frauen vor. So hat es der Künstler in seinem Akt wohl doch recht gut getroffen: Der Blutreiter hält die Zügel straff, während die Frau hinter ihm herputzt.

So manches kann er aber nicht verstehen. Zum Beispiel, warum Akt-Malerei oder -Zeichnerei noch immer als anstößig angesehen wird. "Vielleicht gerade weil Aktkunst nicht die blanke Realität zeigt", so der Erklärungsversuch von Künstlerfreundin Mang von Hinten: "Weil sie in den Dialog mit dem Betrachter tritt. Weil sie dem Betrachter Raum gibt, das Werk zu interpretieren, seine eigenen, womöglich schmutzigen Gedanken damit zu verbinden".

Fakt ist: Für Frankenhauser-Erlitz bedeutete die nackte Kunst - Koffer packen! Denn mit seiner Akt-Malerei waren er und sein Atelier im Schloss Bad Waldsee schon länger nicht mehr willkommen. Das hatten ihn der Schlossherr, Johannes Fürst von Waldburg zu Wolfegg und Waldsee, und dessen Verwaltung spüren lassen.

In dem fürstlichen Gemäuer herrscht dank einiger neuer und gewerblicher Mieter inzwischen reger Publikumsverkehr. Der Künstler musste Werke aus dem Gang entfernen und war auf der Homepage des Schlosses als Einziger nicht vertreten. Gekränkt und in seiner künstlerischen Freiheit beschränkt, hat er gekündigt.

Vor wenigen Tagen hat er das Schloss verlassen, und ist in sein neues Atelier in Laimnau bei Tettnang eingezogen, mit neuen Ideen im Gepäck: Eine künstlerische Annäherung ans Tabuthema "Tod", eine als Wanderausstellung angelegte Interpretation vom Leben und Wirken Jesu, und eine kritische Auseinandersetzung mit der "Guten Beth", einer Ordensschwester und Klostergründerin. Nackte wird er weiterhin malen.


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4 Kommentare verfügbar

  • Horst Ruch
    am 23.12.2016
    Antworten
    ......sehr witzig, Herr anonymus Dr.satir.pseudonymus Gscheidle,
    als Moralapostel und Wissenschaftler für Musik, Verkehr und Keuschheit sollten Sie doch wissen: "Kunst darf alles",
    Sogar beleidigen, auch wenn dies keine Kunst ist.
    Es zwingt Sie niemand diese Bild(chen) über ihr Bett zu hängen.
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