Nur die Galeristin Susan (Amy Adams), eine Frau um die vierzig, wirkt ein wenig desolat, so als spüre sie die Entfernung zum richtigen Leben. Sie fährt zurück in ihre moderne Villa, steht allein in einem fast leeren Raum, schaut durch eine riesige Fensterfront auf die Lichter der Stadt. "Genieß doch unsere Welt", wurde ihr bei der Ausstellung gesagt, "sie ist weniger schmerzhaft als die Realität!"
Der Modeschöpfer Tom Ford, lange Jahre Designer für Gucci und danach Chef seiner eigenen Luxusmarke, hat 2009 den Film "A Single Man" gedreht, in dem Colin Firth als Universitätsprofessor nach dem Tod seines Freundes beschließt, sich das Leben zu nehmen. Eine elegante Studie zu Schmerz und Melancholie, und wenn Kritiker an ihr doch etwas auszusetzen hatten, dann war es gerade diese Ästhetisierung, banal gesagt also: dass das Leiden am Leben sich immer perfekt gestylt präsentiert. Später hat Tom Ford gesagt, er schätze schöne Dinge, wisse aber, dass sie im Grunde nicht wichtig wären. Und auch dies: "Es gibt Momente, in denen mich diese Hochglanzwelt einfach nur anekelt."
Raus aus der Schalheit der Schönheit
Fords neuer Film "Nocturnal Animals" sieht nun tatsächlich so aus wie eine Selbsttherapie. Raus aus der Schalheit der Schönheit, weg vom kalten Glanz der Oberflächen, mit Verve gegen die Vereisung der Gefühle. Denn Susans Welt wird nun bedroht von einer Paketbombe, deren Sprengstoff aus Buchstaben besteht. Ihr Ex-Mann Edward, ein erfolgloser Schriftsteller, den sie vor fast zwanzig Jahren verließ, hat ihr ein Manuskript geschickt. Es heißt "Nocturnal Animals", es ist ihr gewidmet, und als sie es auspackt, schneidet sie sich sofort am scharfkantigen Papier. Blut! Und es wird nicht bei diesem einen Tropfen bleiben. Als Susan zu lesen beginnt, findet sie sich nämlich versetzt in eine düster-gewalttätige Geschichte, die der Regisseur als Neo-Noir-Thriller inszeniert und sozusagen mitten in ihrer Villa explodieren lässt.
Ein Mann mittleren Alters fährt mit Frau und Tochter durch die texanische Nacht. Er heißt Tony (Jake Gyllenhaal), aber die Leserin Susan stellt sich ihn sofort vor wie den Autor. Nein, sie hat diese Szenen, in denen Tony nun von einem mit drei Prolls besetzten Wagen abgedrängt wird, nicht mit Edward erlebt, aber sie spürt, dass Tony eine Art Alter Ego ihres Ex-Mannes ist und in irgendeiner Weise mit ihr zu tun hat. In ihrem jetzigen Leben ist ihr der smarte Business-Ehemann (Armie Hammer) fremd geworden, er muss auch gleich wieder weg, interessiert sich sowieso nicht für ihre Galerie und wohl auch nicht mehr für sie. In ihrem fiebrig verschlungenen Manuskript aber tobt das Leben, wenn auch auf fiese Weise. "Ihr haltet euch für was Besseres!", konstatiert Ray (Aaron Taylor-Johnson), der sadistische Anführer des White-Trash-Trios, dem Tony nichts entgegenzusetzen hat. Unterwerfungsgesten stacheln diesen lächelnden Kerl nur weiter an.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!