Tshibumba Kanda Matulu war ein Künstler aus Lubumbashi, früher Élisabethville, der Metropole der Bergbauregion Katanga im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Um 1975 fertigte er im Auftrag des Anthropologen Johannes Fabian eine einzigartige Serie von 101 Gemälden zur Geschichte des Landes an, die auch auf der Documenta in Athen ausgestellt waren. Damals herrschte Joseph-Désiré Mobutu, der 1960 mit einem Putsch gegen seinen gewählten Vorgänger Patrice Lumumba von der CIA an die Macht gehievt worden war. Er nannte das Land Zaïre und blieb noch bis 1997 an der Macht. Tshibumba schildert insbesondere das Schicksal Lumumbas in allen Details, bis hin zu seiner Ermordung.
Eines dieser Gemälde zeigt die berühmte Rede Lumumbas zur Unabhängigkeit des Kongos. Es ist nun auch in der bisher größten Ausstellung kongolesischer Malerei in der Tübinger Kunsthalle zu sehen. "Congo Stars" reicht aber noch viel weiter zurück, bis zu Djilatendo oder Albert und Antoinette Lubaki, die bereits in den 1920er-Jahren als Maler tätig waren. Die Werke von mehr als fünfzig Künstlern reflektieren humor- und fantasievoll, kritisch oder fröhlich-bejahend, die gesamte Geschichte des Landes, von der Kolonialzeit bis heute.
Moke zum Beispiel, der 1950 geborene und 2001 verstorbene vielleicht populärste Maler des Landes, der in Tübingen mit den meisten Arbeiten vertreten ist, begründete seinen Ruhm 1965 als Fünfzehnjähriger mit Darstellungen Mobutus, wie er bei einer Parade vom Auto aus in die Menge winkt. Auch in seinen Biergarten-Szenen zeichnet er ein positives Bild des Landes. Ganz Kinshasa sei ein großer Nachtclub, paraphrasiert der Literaturwissenschaftler Thierry Nlandu in einem Band zur Documenta 11 einen Popsong. Das ist nicht nur Eskapismus: Dahinter steckt die Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen, aller Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung zum Trotz.
Berühmt sind die "Sapeurs", die, wenn sie schon nichts besitzen, sich dies wenigstens nicht anmerken lassen wollen. Alles, was sie sich vom Mund absparen können, all ihre Fantasie investieren sie in ein elegantes äußeres Erscheinungsbild. Dieser Lebenswille spricht aber eigentlich aus allen Arbeiten, ob sie nun die schönen Seiten des Lebens zeigen oder scharfzüngig die Politik anprangern – oder auch das Verhalten der Mitmenschen, wie der seit der Ausstellung "Magiciens de la terre" 1989 in Paris international bekannte Chéri Samba.
Als "erste wahrhaft internationale Ausstellung der weltweiten Gegenwartskunst" – so der Kurator André Magnin – hat "Magiciens de la terre" seinerzeit die Grundfesten der Kunstwelt erschüttert. Bis dahin galt: Moderne Kunst gibt es nur in den USA und Westeuropa. In Paris waren dagegen erstmals 104 Künstler aus allen Erdteilen zu sehen. Allerdings geriet die Ausstellung selbst in die Kritik, weil sie, – wie schon der Titel "Magier der Erde" andeutet, – Künstler der Südhemisphäre wie Chéri Samba als naiv, emotional oder naturnah einordnete: im Gegensatz zur aufgeklärten Rationalität des Westens. Freilich widersprachen diesem Klischee auch damals schon die fantasievollen Architekturmodelle von Bodys Isek Kingelez.
25 Jahre danach wirkt die Tübinger Ausstellung ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Angestoßen hat sie Holger Kube Ventura, der dann aber als Direktor der Kunsthalle vor zwei Jahren zurücktrat, weil sich der langjährige Hausherr Götz Adriani zu sehr in seine Arbeit eingemischt hat. Daraufhin übernahm das Kunsthaus Graz, wo nun die Ausstellung zuerst zu sehen war. Populäre Malerei ist auch heute im Kongo noch höchst lebendig. Doch es gibt inzwischen zeitgenössische Künstler, die mit Neuen Medien arbeiten, wie Sammy Baloji aus Lubumbashi, der als Ko-Kurator und Künstler beteiligt ist: mit einer Dreikanal-Videoarbeit über das Rumba-Orchester Brigade Sarbati Hercules, das mittlerweile in fünfter Generation in Kinshasa die Nachtschwärmer unterhält.
Die Ausstellung läuft bis 30. Juni und ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 19 Uhr geöffnet. Mehr Informationen finden Sie hier.
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