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Die Festung der Staatsgewalt

Die Festung der Staatsgewalt
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 Fotos: Leif Piechowski 

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Im Herbst 1977 starben die RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen im Hochsicherheitstrakt in Stammheim. Bis heute sind die Umstände ihres Todes nicht vollständig geklärt. Fotografische Impressionen 40 Jahre danach.

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Als es Anfang der 60er Jahre gebaut wird, gilt das Stammheimer Gefängnis als das modernste Deutschlands. Geplant ist es als Untersuchungsgefängnis. Da es mit seinen meterhohen Mauern, mit seinen Überwachungskameras und Bewegungsmeldern die sicherste Anstalt im Südwesten ist, wird 1974 die Führungsriege der "Roten Armee Fraktion" in Stammheim untergebracht, in einem Hochsicherheitstrakt im siebten Stock. Für den Prozess wird auf dem Gefängnisgelände eine fensterlose Halle wie eine Festung errichtet. Die Bilder von den mit schwerbewaffneten Polizisten bewachten Gebäuden, von Stacheldraht und Kameras, werden in den ausgehenden 70er-Jahren für viele zum Symbol staatlicher Gewalt und für manche gar für Justizmord.

Deutscher Herbst in Kontext

Immer wieder haben wir die bleierne Zeit des Deutschen Herbstes in Kontext thematisiert. Hier ein kleiner Überblick:

"Beschränkte Einsichten"
Jörg Lang, Verteidiger der ersten RAF-Generation, äußert sich erstmals seit 1974.

"Putativ erschossen"
Erinnerung an Ian McLeod, der 1972 irrtümlich von Polizisten erschossen wurde.

"Grohmann und die RAF"
Im Wettern der Woche erinnert Peter Grohmann in drei Filmfolgen an die Zeit der RAF in Stuttgart.

"Schleyers Gattin"
Der NS-Experte Erich Später belegt, dass Hanns Martin Schleyers Frau von dessen NS-Vergangenheit wusste.(sus)

Wie konnten die Schusswaffen, mit denen sich Raspe und Baader angeblich selbst erschossen, in Deutschlands bestgesicherten Knast gelangen? Wie konnte sich Gudrun Ensslin erhängen und Irmgard Möller mit einem Messer lebensgefährlich verletzen, ohne dass die Wärter irgendetwas bemerkt hatten? War es wirklich Selbstmord? Die Zweifel werden immer wieder laut.

Viel wurde seit 1977 dazu gesagt, im Fünfjahres-Rhythmus erschienen zum Jahrestag neue Filme, neue Theorien und immer wieder neue Erkenntnisse wurden präsentiert. Zuletzt vor fünf Jahren, als der Autor Helge Lehmann und Gottfried Ensslin, der Bruder von Gudrun Ensslin, die amtliche Version des Selbstmordes anzweifelten. Von Anfang an sei nur in diese Richtung ermittelt und Fremdverschulden ausgeschlossen worden. Sie stellten mehr als 30 Gründe zusammen, warum sie zweifelten, und viele klingen plausibel wie etwa der angebliche Schmuggel von Waffen ins Gebäude. Eine Neuaufnahme des Verfahrens jedoch lehnte 2013 die Staatsanwaltschaft Stuttgart ab. Heute, am 18. Oktober um 19 Uhr, spricht Helge Lehmann darüber im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart.

Inzwischen steht der Hochsicherheitstrakt im 7. Stock leer. Die einstige Zelle von Andreas Baader ist eine Abstellkammer, die vergitterte Dachterrasse mit der Tischtennisplatte wird von den Insassen heute als "Affenkäfig" bezeichnet. Der Stuttgarter Fotograf Leif Piechowski konnte vor wenigen Wochen Eindrücke einfangen von einem Gefängnis, das einst als "Knast aller Knäste" galt.


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1 Kommentar verfügbar

  • Schwa be
    am 20.10.2017
    Antworten
    Zu den Ungereimtheiten um die RAF (dazu gehört auch Hans-Martin Schleyer) passen die Ungereimtheiten des NSU und die damit in Zusammenhang stehenden Morde doch ganz gut. Rechts und links wird gemordet was das Zeug hält, nur die Mitte ist fein raus - wie praktisch!
    Im Artikel von Intercept (Link…
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