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BAMF will keinen syrischen Azubi

Integration bis zur Abschiebung

BAMF will keinen syrischen Azubi: Integration bis zur Abschiebung
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Ausbildung läuft, Sprache sitzt ganz gut, Wohnung in Hechingen ist vorhanden: Hussain Salan könnte zufrieden sein. Fünf Jahre nach seiner Flucht aus Syrien ist er in Deutschland angekommen. Aber der deutsche Staat will ihn nicht.

Hussain Salan sitzt im Gastraum des "Refugio" mitten in Hechingen. Es ist später Nachmittag, er ist gerade aus der Berufsschule gekommen. Dort geht der 25-Jährige weiter hin. In seinen Betrieb, die Spedition Barth in Hechingen, dagegen nicht. Obwohl er dort seit dem 1. September einen Ausbildungsplatz zum Fachlageristen hat. Aber er darf nicht, sagt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Weil er unter das Dublinverfahren fällt, soll er nun nach Österreich abgeschoben werden. "Da war ich eine Nacht", sagt der junge Mann, der vor fünf Jahren aus Syrien geflohen ist, mit sorgenvollem Gesicht. "Ich will doch nur arbeiten, Sicherheit haben, später eine Familie gründen." Er versteht nicht, was hier abgeht.

Denn Hussain Salan hat alles so gemacht, wie es öffentlich stets gefordert wird: Er hat schnell Deutsch gelernt, gleich nach seiner Ankunft in Hechingen vor zwei Jahren half er zunächst ehrenamtlich in der Küche im Refugio aus, wurde angestellt, war schließlich Küchenchef. Das Refugio ist ein stillgelegtes Hotel mitten in der 20.000-Seelen-Stadt im Kreis Balingen, das von engagierten Bürger:innen zu einem Zentrum für vorläufige Unterbringung von Geflüchteten sowie Integrationszentrum inklusive einem Restaurant entwickelt worden ist (Kontext berichtete).

Aus der Küche verabschiedete sich Salan im Sommer 2025, arbeitete drei Monate bei der Spedition Barth – und beeindruckte. "Da haben wir schnell gesehen, dass er für die Arbeit wirklich brennt", sagt Ausbildungsleiterin Jaqueline Ziegler. Also bot die Firma ihm eine Ausbildungsplatz an, dachte, dass das ja funktionieren würde mit der Ausbildungsduldung. Ziegler schwärmt geradezu von dem Azubi: "So einen Enthusiasmus für die Arbeit vermisse ich sonst oft." Das mache ihn für die Firma umso wertvoller, zumal es schwierig sei, überhaupt Azubis für den gewerblichen Bereich zu finden, sagt Ziegler. Kurz und gut: ein vorbildlicher Geflüchteter, eine vorbildliche Integrationsgeschichte.

Keine Sicherheit mit Ausbildung

2019 wurde unter der schwarz-roten Bundesregierung die Ausbildungsduldung eingeführt, wonach abgelehnten Asylbewerber:innen in Ausbildung mehr Sicherheit gegeben werden sollte. Die ARD-Sendung "Panorama 3" berichtete im November, dass die Behörden allerdings kaum Ausbildungsduldungen erteilten. Mit Stichtag 30. Juni 2025 waren bundesweit nur noch 2,1 Prozent aller abgelehnten Asylbewerber mit Ausbildung vor Abschiebung geschützt. 2021 waren es noch 3,2 Prozent.  (lee)

Wäre da nicht die verschärfte Asylpolitik der Bundesregierung.

Hussain Salan hatte gerade zweieinhalb Monate Ausbildung hinter sich, als nach viel Hin und Her mit Ämtern ein Brief eintraf: Ihm wurde untersagt zu arbeiten und seine Ausbildung fortzusetzen. Stattdessen: die Ankündigung seiner Abschiebung nach Österreich.

Das wirkt alles recht willkürlich

Die Frage, wie es Salan derzeit geht, erübrigt sich. Schlecht natürlich. Beim Gespräch im Refugio schaut er auf den Tisch, zuckt hilflos mit den Schultern. Kann er schlafen angesichts der Situation? "Geht schon." Er hat viel hinter sich. Sein Vater wurde 2013 von Anhängern des Assad-Regimes verschleppt und ist seitdem verschwunden, berichtet der AK Asyl Hechingen. Als auch Salan ins Visier des Regimes rückte, bekam die Mutter Angst um ihren ältesten Sohn und er floh. Über die Türkei nach Bulgarien, wo er einen Monat im Busmantsi-Gefängnis eingesperrt war. "Das war schlimm", sagt Salan. "Schlechte Menschen, Drogen." Mehr mag er nicht berichten. Danach ging es über Österreich nach Deutschland, wo er im Oktober 2022 eintraf und nach der Erstaufnahme 2023 in der Stadt am Fuße der Burg Hohenzollern landete. Salans Asylverfahren läuft nach der Dublin-Verordnung, er erhielt schließlich eine Fiktionsbescheinigung, die ihm eine Art vorläufiges Aufenthaltsrecht bescheinigt, und er konnte in die Ausbildung starten.

Im Refugio hat er von Anfang an mitgearbeitet. Weil er schon einigermaßen Deutsch konnte, half er beim Übersetzen und in der Küche. Denn: "In Syrien habe ich als Koch gearbeitet." Erst alles ehrenamtlich, dann wurde er angestellt und schließlich Küchenchef. Hussain Salan arbeitet gerne, Ordnung ist ihm wichtig. "Ich mag, dass hier alles mit System ist", sagt er und meint damit: erst Ausbildung, dann Beruf. Ein anderes System dagegen, die bürokratische Flüchtlingsjustiz, erscheint zunehmend unberechenbar – was für Menschen, die aus Unrechtsstaaten geflohen sind, doppelt bitter sein dürfte – hofften sie doch, in einen humanen Rechtsstaat zu kommen.

Schon eine kurze Internetrecherche zeigt: Aus Ausbildung wird immer wieder abgeschoben. Seien es der angehende Friseur Hassan in Flensburg, Jafaar, der im Landkreis Würzburg kurz vor seiner Ausbildung zum Konditoreifachverkäufer stand, Khalid in Hamburg, die syrischen Geschwister Rooua und Ibrahim, die in Norddeutschland Bäcker lernen sollten und nun in Griechenland hocken, Fabrice, der in Retzbach eine Maurerlehre machen wollte, oder Amira, die aus ihrem Kita-Job nach Litauen abgeschoben wurde. Alles Fälle, die es in die Regionalmedien schafften. Manche Protestinitiativen oder Petitionen von Sportvereinen, Freunden, Firmen hatten sogar Erfolg. Zum Beispiel durften der Mauerlehrling Fabrice und auch der Flensburger Friseur Hassan am Ende doch bleiben.

Viel Zuspruch aus der hiesigen CDU

Auch Salans Freunde und Unterstützer:innen aus dem Refugio setzen auf Öffentlichkeit und Druck. Mehr als 800 Menschen haben für den Verbleib des 25-Jährigen unterschrieben. Günther-Martin Pauli (CDU), Landrat des Zollernalbkreises, hat Salan in Hechingen schon erlebt und schreibt auf Kontext-Anfrage: "Dass jemand wie er, der sich um Integration bemüht, Deutsch gelernt hat, seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet und ordentlich Steuern bezahlt, nun abgeschoben werden soll, ist für uns das falsche Signal. Unser Befremden angesichts dieses rein bürokratiegetriebenen Vorgehens haben wir die verantwortlichen Stellen beim Regierungspräsidium und im Ministerium deutlich wissen lassen."

Auch Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), die aus dem nicht weit von Hechingen entfernten Balingen kommt, hat schon im Refugio gegessen und hält von dem Abschiebeplan gar nichts. Sie hat an ihre Kollegin, die Justizministerin Marion Gentges (CDU), geschrieben und zählt auf, was eine Abschiebung für Folgen hätte: "Es würde die bisherige Integrationsleitung zunichtemachen, den Ausbildungsbetrieb wirtschaftlich beeinträchtigen und ein gesellschaftlich wie wirtschaftlich äußerst negatives Signal aussenden – gerade in einer Zeit, in der qualifizierte und motivierte junge Menschen dringend gebraucht werden." Den Brief schickte sie auch an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

An den hatte sich bereits der AK Asyl Hechingen gewandt. Dobrindts Haus erwiderte, es sei nicht zuständig, man solle sich ans BAMF wenden. Das hat der AK Asyl längst getan, doch eine Reaktion ist bislang ausgeblieben. Auf eine Kontext-Anfrage ans BAMF zum Fall Salan kam mittlerweile eine Antwort: "Das Bundesamt nimmt seine Verantwortung gegenüber den Schutzsuchenden sehr ernst und äußert sich aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht zu Einzelfällen im Asylverfahren."

"Integrationspreis in die Haare schmieren"

Das mit der Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden dürfte Jürgen Fischer vom Vorstand des AK Asyl nicht so ganz überzeugen. Er ist frustriert über die Asylpolitik der Bundesregierung: "Ich glaube, die wollen ihre Statistik erfüllen, um am Ende des Jahres sagen zu können, wir haben soundsoviele Menschen abgeschoben." Zwar würde in der Öffentlichkeit stets über kriminelle Asylbewerber geredet, sagt Fischer. "Aber diejenigen, die sie abschieben sollten und wollen, die Straftäter, die erwischen sie genauso wenig wie deutsche Straftäter." Also griffen sie sich die, von denen sie wissen, wo sie sich aufhalten. Und das sind eben Menschen wie Salan, der alles richtig machen will, der zu den Ämtern geht, kooperiert, arbeitet, Steuern zahlt. "Diese Bundesregierung will mit aller Macht die AfD rechts überholen", ist der Schluss des 66-jährigen IT-Selbstständigen.

Seine Vorstandskollegin im AK Christiane Gersdorf fühlt sich von der Politik betrogen. "Mit Aktionen wie dieser Abschiebung wird unsere Arbeit ad absurdum geführt." Erst im Mai diesen Jahres hat der AK Asyl Hechingen den Integrationspreis des Landes in der Kategorie "Zivilgesellschaft" von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) bekommen. Auf den Fotos von der Preisverleihung sieht man Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gemeinsam mit einigen Geflüchteten. Gersdorf: "Und jetzt das! Die können sich ihren Integrationspreis doch in die Haare schmieren."

Salan Hussain steht schließlich auf, er will in die Küche. Zu Hause fällt ihm die Decke auf den Kopf, jetzt wo er nicht arbeiten darf. Also ist er wieder oft im Refugio, kocht wieder ehrenamtlich. "Am liebsten gefüllte Aubergine und gefüllte Paprika", sagt er. "Das essen auch die Deutschen gerne."

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