Daniel Ebosele ist mit der Entscheidung, nach seiner Ausbildung zum Altenpflegehelfer eine Stelle anzutreten, in einer rechtlichen Grauzone gelandet. Die Ausbildung zum Altenpflegehelfer gilt nämlich nicht als qualifizierte Berufsausbildung wie die zur Pflegefachkraft. Nach geltendem Ausländerrecht lässt sich daraus kein Aufenthaltsstatus ableiten. Aber was dann? Eine von Ebosele eingeschaltete Rechtsanwältin konnte nicht mehr als die Empfehlung der Ausländerbehörde weitergeben, die Ausbildung zur Pflegefachkraft anzuschließen. Denn die führt zu einer Ausbildungsduldung nach der 3+2-Regelung – drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Beschäftigung, was dann in ein Bleiberecht münden kann.
Nach Auskunft des Kolping Bildungswerks, bei dem Daniel Ebosele eine zweijährige Ausbildung zum Altenpflegehelfer absolviert hat, wird den Schülerinnen und Schülern geraten, die Ausbildung zur Fachkraft an die Helferausbildung anzuschließen, um auf der sicheren Seite zu sein. Dies tut übrigens auch die Diakonie.
Wenn Daniel Ebosele hört, dass er nach Nigeria zurückfliegen müsse, um dort bei der deutschen Botschaft den Antrag für die Ausbildung zur Fachkraft zu stellen, fühlt er sich wie auf einer Achterbahnfahrt. Dabei trifft das nur dann zu, wenn der Antrag zur Ausbildung im Rahmen der Fachkräfteanwerbung gestellt wird. Das Problem: Selbst bei den Behörden herrscht nicht immer Klarheit. Seine Urkunde als Altenpflegehelfer musste sich Ebosele sogar erstreiten, weil das Regierungspräsidium dafür fälschlicherweise die schwierige B2-Sprachprüfung forderte.
Auch in Bezug auf die Ausbildung zur Fachkraft gibt es unterschiedliche Auskünfte. Nachdem erst vor kurzem eine alle Bereiche übergreifende generalistische Pflegeausbildung eingeführt wurde, die wesentlich schwieriger ist als zuvor, wird an den entsprechenden Schulen oft das Sprachniveau B2 vorausgesetzt. Eine erneute Hürde für Personen, die wie Daniel Ebosele erste die Stufe B1 absolviert haben. Im Gesetz ist jedoch nichts davon zu finden. Da stehen nur "ausreichende Deutschkenntnisse", und diese hat der junge Nigerianer ohne Zweifel.
Ihm lag vor allem eines am Herzen: er wollte arbeiten, um ein Auskommen für seine Familie zu haben und um endlich aus dem Flüchtlingswohnheim herauszukommen. Seinen beiden fünf und drei Jahre alten Kindern, die in Stuttgart geboren sind, will er eine Perspektive geben. Und die hatte sich mit seinem unbefristeten Arbeitsvertrag gerade abgezeichnet. Fünf Jahre bewohnt die Familie zwei Räume in einem Container ohne eigenes Bad und eigene Küche. Jetzt hat sie eine eigene Wohnung in Aussicht.
Flucht vor den Mördern
"Ich will nicht, dass meine Kinder in Nigeria aufwachsen und dort den gleichen schrecklichen Erfahrungen wie ich ausgesetzt sind", sagt Ebosele. Der junge Mann stammt aus einem Dorf nahe Benin, einer im Süden Nigerias gelegenen Stadt. Sein Vater war dort König, hierzulande vergleichbar mit einem Ortsvorsteher. "Jemand wollte ihm den Platz streitig machen", erzählt der Sohn, ein Konkurrent, der mit seinen anscheinend magischen Kräften Angst im Dorf verbreitete. Der Vater, zwei Brüder und eine Schwester wurden in diesem Konflikt getötet. Die Mutter musste das Dorf verlassen. "In einen traditionellen Konflikt mischt sich die Polizei nicht ein", erzählt Ebosele, der überlebt hat. Ihm blieb nur die Flucht vor den Mördern.
Wenn Daniel Ebosele seine Geschichte erzählt, wird man den Eindruck nicht los, dass er auf seinem langen Weg nach Deutschland einen Schutzengel gehabt haben muss. Mit einem früheren Mitarbeiter seines Vaters gelangt Daniel ins Nachbarland Niger. In einem Ort nahe der Grenze kommt er bei einer Familie unter. Nach einem Jahr besorgt ihm ein befreundeter Fahrer einen Platz auf einem Lastwagen nach Libyen. "Normalerweise kostet das viel Geld", sagt Daniel Ebosele.
Vier Tage dauert die Fahrt durch die Wüste. In Tripolis lebt der junge Nigerianer in ständiger Angst vor der Polizei, die nach Flüchtlingen sucht, um sie wieder nach Hause zu schicken. Drei Jahre lang bleibt er in der libyschen Hauptstadt, arbeitet als Fliesenleger. 2014 verhilft ihm schließlich ein Libyer auf ein Flüchtlingsboot, ohne dass er dafür bezahlen muss. Nach drei Tagen wird das mit etwa 150 Personen völlig überbesetzte Schlauchboot endlich von der Seenotrettung aufgegriffen. "Zehn Leute sind unterwegs gestorben", erinnert er sich.
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Marita Weissig
am 04.08.2021