Auch Joseph lebt im Haus von Safe Place International. Auch er kommt aus Kamerun. Dort, erzählt er, würden Homosexuelle "fast wie Müll behandelt. Man hat keinen Platz in der Gesellschaft". Er ist schwul, professioneller Tänzer. Just Human hat ihn mit der Stuttgarter Tanz-Combo Gauthier Dance zusammengespannt. Die TänzerInnen schickten ein Paket mit Trainingsanzügen und Tanzschuhen nach Griechenland und eigentlich war eine Kooperation angedacht, vielleicht ein gemeinsamer Auftritt. Corona allerdings hat alle Pläne bis auf Weiteres auf Eis gelegt.
Für geflüchteten Frauen und Kinder, die auf Lesbos in Schutzhäusern leben oder von dort erreicht werden können, hat Just Human einen Notfonds eingerichtet. Die Kinder und Frauen erhalten Hilfe für Kleidung, Bildung und beim Übergang in ein selbständiges Leben nach Abschluss des Asylverfahrens.
Katja Walterscheid, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin, und Elka Edelkott, PR-Fachfrau und Systemische Beraterin, setzen sich seit vielen Jahren für Geflüchtete ein. Just Human ist die Institutionalisierung ihrer privaten Hilfe. Begonnen hatte alles 2015 mit einem jungen Mann aus Syrien. Der musste eine Wohnung vorweisen, um seine Familie nachzuholen. Also zog er kurzerhand in die WG der beiden Frauen ein, die ihm halfen, eine eigene Bleibe zu finden. Wenige Monate später war er mit seiner Familie wieder vereint. "Das hat ganz gut geklappt", sagt Elka Edelkott im Rückblick.
Ihr zweiter Fall ging nicht so reibungslos über die Bühne. Vor dem Krieg in Syrien war der junge Mann mit seiner Familie in den Libanon geflohen, später alleine nach Deutschland. Auch er lebte ein par Monate in der Frauen-WG. Eigentlich wollte er seine Familie nachholen, aber das, man weiß es, dauert und die Sehnsucht der Menschen nach ihren Liebsten verschwinden unter dutzenden Stapeln Papier in der deutschen Bürokratie. Die Frau des Mannes und dessen Kinder - damals war eines erst neun Monate alt, ein zweites zwei, das dritte fünf Jahre alt - und die Schwiegermutter saßen im Libanon fest. Nach einiger Zeit ohne jegliche finanzielle Mittel.
Elka Edelkott und Katja Walterscheid haben Unterstützungswillige zusammengetrommelt, die spendeten. Und weil die Bundesregierung im März 2016 den Familiennachzug aussetzte, unterstützten sie die Familie zwei Jahre lang privat. Ende 2018, nach mehr als drei Jahren der Trennung, trafen die Eltern ihre Kinder wieder – in Kanada. Dort leben sie seither. Insgesamt 17.517 Euro haben Edelkott, Walterscheid und ihre MitstreiterInnen über die Jahre für die Familie gesammelt. "Wir konnten damit verhindern, dass die Frau sich oder ihre Kinder Ausbeutung oder sexuellen Übergriffen aussetzen musste, um zu überleben", sagen die Frauen.
Den Feindseligkeiten etwas entgegensetzen
"Uns wurde bewusst", erzählen die zwei Frauen, "dass es so viele Menschen gibt, die Hilfe brauchen, so viele Fälle wie die, die wir kennengelernt haben. Wir wussten, das können wir nicht mehr privat stemmen." Das war in einer Zeit, erinnern sich beide, als die anfangs positive Stimmung gegenüber Geflüchteten in Deutschland langsam kippte. "Die Feindseligkeiten nahmen immer mehr zu und wir wollten, nein, wir mussten dem etwas entgegensetzen." Für einen Verein ist das einfacher als für Privatpersonen. Und für hilfsbedürftige Menschen ist es einfacher, von einem Verein Geld anzunehmen.
Also haben sie die Unterstützung institutionalisiert. Seit Beginn arbeitet Just Human eng mit Flüchtlings-Freundeskreisen zusammen, macht Veranstaltungen mit dem AK Asyl in Stuttgart, hat Kontakt zum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Der Verein, das ist beiden Frauen wichtig, sammelt vor allem Geld für Menschen und Projekte, die die Frauen persönlich kennengelernt haben, zu denen sie Kontakte pflegen. In jedem Land, in jeder Stadt, in der Just Human eine Einzelfamilie, ein Haus oder ein Projekt finanziell unterstützt, hat der Verein reale AnsprechpartnerInnen, mit denen Edelkott und Walterscheid in ständigem Austausch stehen. "Länderbeauftragte" nennen das die beiden Frauen. Denn wer kennt sich schon mit der Wohnungssituation in Somalia aus? Oder weiß von Deutschland aus, welcher Anwalt gut ist oder was eine Schule in Nairobi monatlich kostet?
Auch mit Menschen, die aus Deutschland abgeschoben wurden, halten die beiden Frauen Kontakt. Einer beispielsweise lebt mit seiner Familie mittlerweile im Kosovo und konnte dank privater Unterstützung und der finanziellen Hilfe von Just Human einen kleinen Catering-Dienst aufmachen, mit dem er seine Familie nun ernährt. In Südafrika unterstützt der Verein das Safe House Bredasdorp. Die Somalierin Mara, die in Stuttgart lebt und seit Jahren auf ihre Familie wartet, die in Nairobi festsitzt, bekommt finanzielle Hilfe von Just Human. In Stuttgart organisiert der Verein Workshops und Vorträge, gemeinsam mit der Initiative Seebrücke und anderen Organisationen haben sie es geschafft, dass Baden-Württembergs Landeshauptstadt zum "Sicheren Hafen" wird. Und: Die beiden Frauen träumen von einem Friedenshaus – für Projekte, zum Austausch, zum Leben, zum Atemholen.
Masken für Moria
Auch ins Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, einem der mit Sicherheit schlimmsten Orte, die Europa zu bieten hat, haben die beiden Frauen und ihr Verein Kontakt. Die Situation: unmenschlich, katastrophal. Und Corona hat das Elend der Menschen nicht besser gemacht. Eine Hilfsorganisation hat erst vor Kurzem Waschplätze eingerichtet, die von Geflüchteten gegen Honorar betreut werden, damit sich die Menschen wenigstens die Hände waschen können.
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