Zum Zeitpunkt unseres Besuchs (ohne das Gelände zu betreten) sind nach Angaben der Stadt Ellwangen weit mehr als die Hälfte, nämlich 313 BewohnerInnen der LEA positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Und der Mann, der an der Pforte sitzt, trägt keine Maske, nicht einmal einen einfachen Mund-Nasen-Schutz – trotz entsprechender Anweisungen des Regierungspräsidiums.
Keine drei Wochen ist es her, dass der erste Corona-Fall in der Einrichtung öffentlich bekannt wurde. Dem SWR gegenüber betonte der Leiter der LEA, Berthold Weiß, am 3. April, dass die Ellwanger Einrichtung auf Corona-Infizierte vorbereitet sei. Eine Einschätzung, die sich als mindestens fragwürdig erweisen sollte.
Innerhalb von zehn Tagen mindestens 244 Infizierte
Am 5. April veröffentlichen die Stadt Ellwangen, das Landratsamt Ostalbkreis und das Regierungspräsidium Stuttgart eine gemeinsame Presseerklärung: "Inzwischen sind sechs weitere LEA-Bewohner an COVID-19 erkrankt und isoliert." Dabei wird eingeräumt, dass die direkten Kontaktpersonen der Betoffenen "nicht mehr gesichert ermittelt" und die "Infektionsketten damit nicht lückenlos nachverfolgt" werden könnten. Die LEA wird unter Quarantäne gestellt, für die Bewohner gilt seitdem ein Ausgangs- und Kontaktverbot. Erklärtes Ziel der verantwortlichen Behörden ist es nun, innerhalb von zwei Tagen alle BewohnerInnen sowie die rund 200 Beschäftigten der LEA zu testen, "um eine Masseninfektion auszuschließen".
Das Ergebnis ist bekannt. Zehn Tage später sind bereits 251 Geflüchtete in der LEA positiv auf Corona getestet und verschiedene Medien berichten auf Grundlage einer dpa-Meldung, die Behörden stünden "vor einem Rätsel", wie es dazu kommen konnte. Der SWR hat recherchiert und äußert den Verdacht: "Die starke Ausbreitung könnte eine ganz einfache Ursache haben. Vermutlich sind die beengten Wohnverhältnisse in der Gemeinschaftsunterkunft in Ellwangen (Ostalbkreis) der Grund für die vielen Ansteckungen."
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der baden-württembergische Flüchtlingsrat, der noch am gleichen Tag, dem 15. April, in einer Stellungnahme betont, "dass das hohe Infektionsrisiko weiterhin besteht, so lange Menschen in den Lagern leben müssen, wo sie zum Beispiel Badezimmer, Toiletten und Kantine mit vielen anderen teilen müssen". Außerdem heißt es dort: "Trotz der aktuell vorherrschenden Rhetorik, wonach alle im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung an einem Strang ziehen, um die Pandemie um jeden Preis einzudämmen, erkennt der Flüchtlingsrat in den Äußerungen und dem Verhalten einiger Behörden eine Denkweise, die Geflüchtete aus diesem gedachten Kollektiv ausgrenzt."
Immer wieder wurde vor den Risiken gewarnt
Menschenrechtsorganisationen wie "Pro Asyl" warnen bereits seit Jahren vor den Gefahren der Massenunterbringung in Flüchtlingsunterkünften. Dass dort, wo viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben, mit hohen Infektionsraten gerechnet werden muss, belegt unter anderem eine Einschätzung des Arztes Christoph Bauer, Leiter des Heidenheimer Gesundheitsamts: "In Massenunterkünften würde sich ein solcher Virus sehr schnell verbreiten, auch die Isolierung von Kranken ist nur begrenzt möglich", sagte er, damals bezogen auf das Norovirus, gegenüber der "Heidenheimer Zeitung". Das war im Oktober 2015.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!