Irgendwas passt hier nicht zusammen. Noch nie, jubeln die Zeitungsverleger, hätten so viele Menschen informationelle Zuflucht bei ihren Produkten gesucht. Einerseits. Noch nie, klagen sie, hätten sie solche Verluste gehabt wie jetzt, weshalb sie leider Kurzarbeit anmelden müssten. Andererseits. Da staunt der Laie, auch weil darunter Konzerne wie Axel Springer sind, die Millionengewinne eingefahren haben. Oder Blätter wie "Die Zeit", die mehr Abos verkauft hat als jemals in einem ersten Quartal. Will da jemand womöglich Staatsknete abgreifen?
Unter den 80 Prozent der Verlage, die nun Subventionen einfordern, ist auch die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), der die "Süddeutsche Zeitung", die "Stuttgarter Zeitung", die "Stuttgarter Nachrichten" sowie 13 weitere Tageszeitungen gehören. Ebenfalls ein stattlicher Konzern. Darüber hatten wir vor drei Wochen berichtet und die KollegInnen angeregt, doch auch ihre Leserschaft in Kenntnis zu setzen. Wegen der Transparenz und der Blattbindung. Sie musste bis zum 18. April warten. Bis Kulturleiter Tim Schleider zur Feder griff.
Unter dem Titel "Auch Journalisten droht nun Kurzarbeit" identifizierte er einen "klassischen Zielkonflikt" für die Verleger, die sich über das "riesige Interesse" ihrer Kundschaft freuten, einerseits, Kurzarbeit jedoch unausweichlich sei, wegen des Rückgangs auf dem Anzeigenmarkt, andererseits. Dazu reichte Schleider bedenkliche Zahlen vom Verlegerverband, warnende Worte von dessen Präsidenten Mathias Döpfner und Lobendes für die südwestdeutschen Zeitungseigner von ihrem Geschäftsführer Holger Paesler. Erst ziemlich weit hinten im Text widmete sich die feuilletonistische Führungskraft dem eigenen Laden. Äußern durfte sich hier SWMH-CEO Christian Wegner über einen zeitweiligen Einstellungsstopp, eine Sperre bei allen Sachkosten sowie Kurzarbeit "in einigen Bereichen". Über Letzteres werde im Pressehaus gerade verhandelt, ließ Schleider noch wissen. Und das war’s.
Die LeserInnen durften jetzt also rätseln, wie die Verleger diesen "Zielkonflikt" lösen wollen. Im Moment versuchen sie es mit dünneren Zeitungen, bei der "Süddeutschen" mit bis zu 23 Prozent weniger Seiten, mit kleineren Belegschaften bei mehr Arbeit in Corona-Zeiten, mit 85 Prozent Kurzarbeit bei den StZN und "weiterhin Qualitätsjournalismus" (Wegner). Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen, weil das dahinter stehende Modell – Profitsicherung durch Qualitätsminderung – auf Dauer nicht mehr funktionieren wird.
Aber wir sind gerne behilflich. Mit unseren eigenen Erfahrungen, die sich auch im "Forum gemeinnütziger Journalismus" wiederfinden. Dort sind wir Mitglied, neben der Rudolf-Augstein-Stiftung, Correctiv, Netzwerk Recherche, netzpolitik.org und anderen, und reichen die Leitlinien weiter, die das Forum jüngst verabschiedet hat. Hier findet sich gewiss das eine oder andere, was für die Lösung von Zielkonflikten im Pressewesen zielführend sein könnte.
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Peter Groß
am 26.04.2020