"Nun haben wir geliefert", behauptete der Grüne Andreas Schwarz, der Chef der größeren Regierungsfraktion im Südwest-Landtag, als das CDU-geführte Justizministerium Anfang August seinen Erlass an die Ausländerbehörden im Land vorlegte. Fragt sich nur, was. Die Vereinbarung "läuft weitgehend leer", urteilt der Flüchtlingsrat in Stuttgart, "der Wert geht gegen Null". Gehandelt hat die grün-schwarze Koalition im Land erst getrieben von den geplanten neuen liberalen ausländerrechtlichen Regelungen der Berliner Ampel. Hinter denen bleibt Baden-Württemberg aber deutlich zurück, auf Druck der CDU und mit grüner Akzeptanz. Von wegen Lieferando. Die Kritik von Flüchtlingsrat und anderen Fachverbänden ist der grünen Fraktion nicht mal eine Reaktion wert.
Dabei führen Parteifreund:innen in anderen Bundesländern vor, dass es im Umgang mit der CDU auch ganz anders geht. In NRW hat der Koalitionspartner, sogar als kleinerer, erheblich mehr durchgesetzt. Schwarz-Grün in Düsseldorf verständigte sich darauf, dass die für das Bleiberecht von Integrierten maßgebliche Voraufenthaltszeit um zwei Jahre verkürzt werden muss. Hierzulande dagegen habe es die Ministerialverwaltung einmal mehr geschafft, sagt Sebastian Röder vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, "den augenscheinlich so verhassten Spurwechsel so schwer wie möglich zu machen". Die Grünen müssten sich die Frage gefallen lassen, "wie sie eine humane Migrationspolitik fordern und sich gleichzeitig so vom CDU-geführten Justizministerium am Nasenring durch die Manege führen lassen können".
Und das seit 2016. Alle Versprechen seither sind Makulatur. Zum Beispiel das vor bald sieben Jahren verabschiedete Wahlprogramm, in dem die Grünen erkannt hatten, dass eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg die Integration der Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft sei. Der erste Koalitionsvertrag mit den Schwarzen ("Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ.") stellte in Aussicht, schnellstmöglich einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu schaffen. Der nämlich sei eine Chance, den verstärkten Fachkräftebedarf zu decken. Wer eine Ausbildung aufnahm, sollte ein fünfjähriges Bleiberecht erhalten und für Betriebe sollten Anreize geschaffen werden zur Beschäftigung von Zugewanderten.
Unternehmer:innen drängen auf Spurwechsel
Viele warme Worte. Die Unternehmerinitiative für Bleiberecht führt auch schon seit sieben Jahren vor, wie daraus Realität wird oder werden könnte. Rund 2.000 Migrant:innen sind bei Mitgliedsbetrieben in Arbeit. Es könnten 20.000 im Land oder gar 200.000 bundesweit sein – immerhin lebt eine Viertel Million geduldeter Ausländer in Deutschland –, wenn sich alle ernsthaft auf den Weg gemacht hätten. Stattdessen wurden Geflüchtete, die eine Arbeit gefunden hatten, in ungezählten Fällen mit Abschiebung bedroht. 2018 platzte Vaude-Chefin Antje von Dewitz, Gründungsmitglied neben dem grünen Bierbrauer Gottfried Härle aus dem Allgäu, der Kragen. In ihrer Firma seien seit 2015 rund 63. 000 Euro in die Integration von sieben jungen Männern investiert worden, sagte sie 2017. Und: "Sollten wir alle auf einmal verlieren, würde das einen Produktionsausfall in Höhe von 247. 000 Euro bedeuten. (...) Wir fühlen uns wie viele andere Unternehmen von der Politik im Stich gelassen."
2 Kommentare verfügbar
Cathrin
am 06.09.2022Auch in Hessen wird unter Schwarz-grün leidlich abgeschoben. Das ist grüner Pragmatismus auf Kosten von Menschen. Beim Verbraucherecht und der Gesundheit ist es ähnlich.