Wenn es heißt, das sei die einzige neue Verschärfung: Was ist denn mit den Personenkontrollen bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen?
Das kam falsch rüber. Es trifft das Gegenteil zu: Die Hürden für Personenkontrollen werden heraufgeschraubt, nicht herab. Das betrachten wir durchaus als Erfolg, da haben wir das Gesetz im Sinne der Bürgerinnen und Bürger verbessert.
Inwiefern?
Indem es anlasslose Durchsuchungen in Zukunft eben nicht mehr geben soll. Bisher fehlt hierzu eine klare Bestimmung dazu im Polizeigesetz. Teilweise wurden anlasslose Kontrollen auf eine Regelung zu sogenannten "gefährlichen Orten" gestützt. Das heißt dann, dass ohne konkreten Anlass oder Verdacht jede Person, die die Polizei an dem Ort antrifft, durchsucht werden darf. Das ist der rechtliche Ist-Zustand und die Alltagsrealität für viele Bürger, auch unbescholtene. Deswegen haben wir darum gekämpft, dass solche Durchsuchungen bei Großveranstaltungen nur noch stattfinden können, wenn die zu durchsuchende Person einen Anlass gegeben hat. Im Moment kämpfen wir noch um die abschließende Formulierung im Gesetz, das wird noch spannend. Aber das ist für uns der Fortschritt, den wir haben wollten: Schluss mit anlasslosen Durchsuchungen und Personenkontrollen! Die Polizei muss gerichtsfest Gründe vorlegen können, warum sie jemanden verdächtigt hat.
Ein komisches Aussehen reicht also nicht?
Nein, das reicht nicht. Wir wollen damit auch jeden Ansatz für Racial Profiling ausschließen. Wir unterstellen der Polizei nicht, dass sie das gezielt betreiben würde. Klar ist aber: Mit dieser Regelung schieben wir dem einen Riegel vor.
In der ganzen Debatte um die verschärften Sicherheitsgesetze fällt immer wieder das Totschlagargument, all das diene Terrorismusabwehr. Aber was haben denn der Einsatz von Body-Cams oder Personenkontrollen auf Demonstrationen mit Terrorprävention zu tun?
Die neuen Maßnahmen, die jetzt in sehr, sehr abgespeckter Version kommen, zielen nicht primär auf Terrorismusbekämpfung ab. Auch bei den Neuerungen 2017 geht es nicht nur um Terrorismus, sondern genauso um allgemeine Schwer-, und durchaus auch Schwerstkriminalität. Etwa um Eingriffsbefugnisse gegen Drogendealer, Mafia- und Clanstrukturen. Wir würden auch gerne das ganze Lagebild, das dem zugrunde liegt – der Einschätzung ‚Wir leben in einer enormen terroristischen Bedrohungslage!‘ – ändern, und durch eine realistischere ersetzen – und dementsprechend auch die Maßnahmen zurückfahren oder anders ausgestalten.
Nehmen wir an, es klappt 2021 mit dem grünen Innenministerium: Welche Verschärfungen würden Sie denn gerne wieder loswerden?
Ganz kritisch werden wir uns die Quellen-TKÜ noch einmal anschauen, wobei es durchaus sein kann, dass diese unter Umständen bis dahin sowieso schon vom Bundesverfassungsgericht einkassiert worden ist. Es gibt da eine ganze Reihe von Beschwerden, gegen das neue Polizeigesetz aus Bayern, aber auch das baden-württembergische, da müssen wir ehrlich sein.
Ein etwas anderes Thema: Aktuell sitzt eine Partei im Parlament, die offen rechtsextreme Strömungen toleriert und in das Gremium will, das den Verfassungsschutz kontrolliert. Wie gehen Sie damit um?
12 Kommentare verfügbar
chr/christiane
am 24.09.2020Vorgestern wurde ein Artikel verlinkt, in dem Tipps gegeben…