In Hechingen liegt der Bahnhof am Stadtrand. Zu Fuß dauert es etwa 20 Minuten bis ins höher gelegene Zentrum der 20.000-Seelen-Stadt, vorbei an geschlossenen Geschäften und Gastwirtschaften. An vielen Laden-Fenstern hängen ausgebleichte Rabatt-Versprechen, um Kund:innen herein zu locken, doch die Regale sind oft leer. Nach dem notwendigen Fußmarsch kommt man schließlich in der Oberstadt an. Von der Kirche St. Jakobus geht es zum Obertorplatz, an den das ehemalige Hotel Klaiber anliegt. Das Interieur ist dunkel gehalten, was sich auf den Essens-Saal auswirkt, obwohl eine breite Glasfront den Blick nach draußen ermöglicht. Zu sehen ist ein Spielplatz mit Hindernispfad.
Aus dem alten Hotel ist inzwischen ein Ort namens "Refugio" geworden. Ein Jahr lang standen die Räumlichkeiten leer. Eine hier geplante Tiefgarage kam nicht zustande. Mit Unterstützung des Landrats Günther-Martin Pauli und des Hechinger Bürgermeisters Philipp Hahn, beide CDU, konnte stattdessen ein bemerkenswertes Projekt entstehen. Eine Tafel im Schaufenster erläutert die drei Funktionen des Refugio. Erstens: Es ist eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber:innen in der vorläufigen Unterbringung. Zweitens: Es ist ein Integrations- und Begegnungszentrum. Drittens: Es ist ein öffentliches Café und Restaurant.
Anspruch sei es, die Bewohner:innen mit anzustellen, sagt Almut Petersen vom örtlichen Arbeitskreis Asyl. Der Arbeitskreis besteht seit über 30 Jahren und ist seit Oktober 2016 ein eingetragener Verein. Petersen agiert als eine Art Mutter Courage und ist Geschäftsführerin des Projektes. Sie ist "nicht unzufrieden" mit der Entwicklung des Refugio. Es habe ein großer Notstand geherrscht, was die Unterbringung von Geflüchteten anging. Im Oktober 2023 kam es zu einem Brainstorming der Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat und dabei sei die erste Idee entstanden, das alte Hotel umzunutzen. Zusammen mit dem AK Asyl wurde dann ein Konzept erarbeitet, um den Leerstand wieder mit Leben zu füllen, und dem Landratsamt präsentiert, das mit den Eigentümern Kontakt aufnahm. Im Dezember 2023 wurden eine Kooperationsvereinbarung und der Kaufvertrag unterschrieben.
Breites Programm, bunte Speisekarte
Am 4. Januar 2024 gab es das erste Pressegespräch im Hotelgebäude und den ersten Deutschkurs vier Tage später. Kurz darauf seien laut Petersen die ersten acht Bewohner:innen aus Syrien eingezogen. Am Anfang habe noch Chaos geherrscht, aber schon zu Ostern habe man eine Außengastronomie eröffnet und am 7. April einen Tag der Offenen Tür ausgerichtet. Neben dem gastronomischen Betrieb und den Deutschkursen mit 60 bis 100 Schüler:innen gibt es im Refugio auch eine Eltern-Kind-Gruppe, die sich hier trifft. Es finden auch Themenabende statt, bei denen etwa Geflüchtete erzählen, wie es in Syrien vor dem Krieg gewesen ist.
1 Kommentar verfügbar
Gerd Rathgeb
vor 3 WochenRespekt und Dank den mutigen MacherInnen dieses tollen Projekts in der Provinz. Vieles ist möglich, wenn Humanität und Freundlichkeit mehr sind, als Gejammere und Vorurteile.
Ich habe gelesen, dass in der Region Stuttgart über 50 000 Wohnungen…