"Er sprach nur etwas englisch und suchte seinen erwachsenen Sohn, den er auf der Flucht verloren hatte", erzählt Michael Meister über seine erste Begegnung mit Samson E. im Café des Helferkreises im Frühsommer 2020. Der Rentner hatte ihm geholfen bei seiner Suchanfrage beim internationalen Suchdienst des DRK. Sie blieb erfolglos. "Als ich von der Abschiebung erfuhr, bin ich aus allen Wolken gefallen", ergänzt Ingo Gutemann, auch er ein engagierter Rentner aus dem Helferkreis Sandhausen. Die beiden Helfer sind zweimal die Woche in einem kleinen Büro der Geflüchteten-Gemeinde für die Bewohner:innen ansprechbar.
Dabei hatten die beiden auf die bevorstehenden Gesetzesänderungen gesetzt und waren davon ausgegangen, dass keine Abschiebungen mehr erfolgen. Denn die Bundesregierung plant, die bisherige Praxis der Kettenduldungen mit dem "Chancen-Aufenthaltsrecht" zu beenden. Demnach soll Geduldeten, die am 1. Januar 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe ermöglicht werden, "um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen". So heißt es in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums zum Gesetzentwurf. Genannt werden Erwerbstätigkeit, gute Deutschkenntnisse sowie der Erwerb eines Identitätsnachweises. Von der neuen Regelung betroffen wären rund 136.000 Menschen.
Die Hälfte der Bundesländer haben in den vergangenen Monaten sogenannte Vorgriffregelungen erlassen, damit Menschen, die von dem neuen Gesetz profitieren könnten, nicht noch in letzter Minute abgeschoben werden. Baden-Württemberg ist nicht dabei. Allen Ansagen der Grünen-Regierungspartei zum Trotz schafft sie es nicht, sich gegen ihren Koalitionspartner CDU durchzusetzen. Deren Innenminister Thomas Strobl hält nichts vom Chancen-Aufenthaltsrecht, findet, es schaffe "zu starke Pull-Anreize".
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg forderte bereits im Sommer, dass Baden-Württemberg ebenfalls eine Vorgriffsregelung erlässt. Ohne Erfolg. Der Rat hat zudem einen offenen Brief verfasst, den auch Helfer Gutemann nutzte. Er forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Justizministerin Marion Gentges, CDU, auf, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen und von weiteren Abschiebungen abzusehen. Auf eine Antwort wartet er noch immer.
Deutsch lernen und arbeiten hilft nicht
Samson E. hilft das nicht mehr. Und das erzürnt Michael Meister. Er erzählt: Seit 2016 lebte Samson E. in Deutschland, im April 2020 kam er nach Sandhausen. Sofern er durfte, habe der Nigerianer gearbeitet, er putzte in Hotels und habe so seinen Lebensunterhalt verdient. Als er im Sommer 2021 ins Büro des Helferkreises gekommen war, hatte das Hotel, in dem er gearbeitet hatte, dichtgemacht, wegen Corona fand er keinen neuen Job. Meister ging mit ihm zum Arbeitsamt. Statt eines Arbeitsangebots vom Jobcenter bekam er ein Arbeitsverbot vom Ausländeramt. Das habe einen Identitätsnachweis gefordert, berichtet der Helfer.
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Simonetta Keller
am 14.10.2022