Erst 2017 brach die Tochter des Bahnbeamten das vereinbarte Stillschweigen zwischen Helfer und Geretteten. Gertrud Imhof (Name geändert) hatte als Kind erlebt, wie Josef Eberle und seine jüdische Frau Else von 1943 an bis Kriegsende bei ihren Eltern Schutz und Unterschlupf fanden. "Die Gespräche haben mir irgendwie gutgetan", sagt die mittlerweile 87-jährige Stuttgarter Zeitzeugin. Ort des Geschehens war der Bahnhof "Wildpark" und ein dazugehöriges Gebäude, in dem der Bahnhofsvorsteher Sebastian Imhof mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern lebte. Das kleine Ensemble an der Gäubahnlinie liegt direkt neben dem Rudolf-Sofien-Stift oberhalb der Heslacher Wasserfälle. Diese fließen durch eine Schlucht in der Heidenklinge hinab zu einer mannshohen Betonröhre, der sogenannten Pfaffendole. Von den Imhofs wurde diese bei Fliegeralarm als "Luftschutzbunker" genutzt. Den Halt "Wildpark" – er wurde in den 1960er-Jahren stillgelegt – nutzte man damals für Sonntagsausflüge zum Bärenschlössle, zum Schloss Solitude oder auch zum Rot- und Schwarzwildpark.
Seit 1936 lebte das Ehepaar Eberle im Sandweg 7 in Stuttgart-Heslach, nicht allzu weit entfernt von der Wildpark-Station. Als die Luftangriffe der Alliierten ab 1943 auch den Stuttgarter Süden trafen, suchten die Eberles einen alternativen Schutzraum. Denn als Jüdin war es Else Eberle untersagt, die öffentlichen Bunker zu nutzen. Gertrud Imhof beschreibt die erste Begegnung ihres Vaters mit den Eberles: "Der kleine Bahnhof hatte einen Fahrkartenschalter. Eines schönen Tages kamen ein Mann und eine Frau mit einem kleinen Hund namens Kasperle. Sie hatten erfahren, dass wir einen kleinen Bunker haben, den wir bei Fliegeralarm nutzen. In Heslach durften sie wegen ihres Hundes nicht in den Bunker, erklärten sie." Imhof hatte nichts gegen den Foxterrier einzuwenden und bot die Pfaffendole als Unterschlupf an, nicht ahnend, mit wem er es zu tun hatte. "Zwei Tage später sind sie gekommen und mit in die Pfaffendole hinein", sagt Gertrud Imhof. So sei das eine ganze Weile gegangen.
Imhof wird gewarnt – und hilft trotzdem weiter
Als Imhofs Vorgesetzter von der Hilfsaktion seines Mitarbeiters erfuhr, zitierte er ihn zur Bahndirektion und warnte den Eisenbahner in einem vertraulichen Gespräch. Er erklärte ihm, wen er da in die Pfaffendole mit hineinnahm. "'Sie haben doch Familie, seien Sie vorsichtig', hat er meinem Vater gesagt", erzählt Gertrud Imhof. "Er hätte meinen Vater anzeigen können, aber es passierte gar nichts." Und sie fährt fort: "Mein Vater bat Herrn Eberle in sein Büro und es gab ein längeres Gespräch. Da hat er erzählt, dass seine Frau Jüdin ist und dass er beim Rundfunk war. Und dass er hat gehen müssen, weil er seine Frau nicht verlassen wollte."
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