Hardliner hinter jeder Ecke.
Der Stuttgarter Gemeinderat ist mehrheitlich nach wie vor dafür, die Regionalversammlung ebenso, CDU, SPD und FDP stehen sofort auf der Matte, wenn über Alternativen nachgedacht wird, und im Landtag haben wir das gleiche Spiel. Auch wenn angesichts der Verzögerungen und Kostensteigerungen das peinliche Schweigen vieler Befürworter von einst unüberhörbar ist, gibt es nach wie vor leidenschaftliche Verfechter des Projektes.
Das weiß auch die Bahn und klagt seit Ende 2016 auf die Übernahme der Mehrkosten.
Ich darf daran erinnern, dass es der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger und Stuttgarts Ex-OB Wolfgang Schuster waren, die im Finanzierungsvertrag rund zwei Drittel der Kostenrisiken von 1,5 Milliarden Euro fest übernommen haben. Darüber hinaus gibt es nur eine Sprechklausel, die keinen Anspruch der Bahn auf Übernahme weiterer Mehrkosten begründet. Im Übrigen hat die damalige Bahnspitze lieber die finanzielle Festzusage der Projektpartner angenommen als eine prozentuale Risikobeteiligung. Die haben doch selbst geglaubt, dass damit die Finanzierung geklärt sei.
Es ist erstaunlich ruhig an dieser Front. Sie gehen davon aus, dass der Bund einspringen wird.
Ich kann nur sagen: Der Bund hat letztlich politisch entschieden, weiterzumachen, auch wenn es teurer und womöglich unwirtschaftlich wird, und damit hat er auch die Verantwortung für das Projekt übernommen.
Die Bahn muss jetzt ans eigene Geld.
Die größten Anteile der bisherigen Ausgaben sind von den Projektpartnern bezahlt worden. Jetzt kommt die Bahn selbst immer stärker in die Finanzierung, und das tut weh. Daher rühren ihre Aufschreie, und nun muss der Bund eben überlegen, ob er sein Unternehmen weiter in die roten Zahlen rutschen lässt wegen der Infrastrukturkosten, oder ob er sagt: Für den Ausbau der Autobahnen und Bundestraßen zahlen wir auch Milliarden, allerdings direkt aus dem Haushalt.
Auch Ministerpräsident Kretschmann, für den der Käs gegessen war, ist plötzlich unwirsch und schimpft auf die Bahn. Was ist passiert?
Das war ein emotionaler Ausbruch angesichts der Nachricht, dass der Flughafen ein Jahr lang abgehängt wird von der S-Bahn. Fröhlich stimmt ihn wahrscheinlich auch nicht, dass alle unsere Prognosen, alle unsere Bedenken, die wir gegenüber S 21 geäußert haben, Realität geworden sind, und er sie jetzt mittragen muss.
Trotzdem: Die Regierung zieht immer den Volksentscheid als Legitimation für ihre Pro-S-21-Politik heran.
Wir haben in der Tat dadurch eine Verpflichtung, das Projekt zu unterstützen. Es war einer meiner größten Irrtümer, zu glauben, Stuttgart 21 würde im Volksentscheid krachend scheitern. Ich war bis zum Schluss davon überzeugt, dass die Mehrheit uns Kritikern glaubt und Nein zu dem Projekt sagen würde. Hat sie aber nicht. Viele hatten offenbar gedacht, okay, es wird ein bisschen teurer und es dauert ein bisschen länger, wie alles im Leben. Hätten sie gewusst, dass es so viel teurer wird und so viel länger dauert, wäre der Volksentscheid womöglich anders ausgegangen. Da haben einige Leute schon böse die Wahrheit verdreht oder Wahrheiten nicht ausgesprochen, die auch damals schon bekannt waren. Rüdiger Grube hat dreist behauptet, dass 1,5 Milliarden bis zwei Milliarden Euro schon ausgegeben wären. Es waren tatsächlich maximal 400 Millionen Euro.
Da sind die Wähler offensichtlich nach Strich und Faden belogen worden.
Es gab in der Tat eine üble Desinformation, keine Frage. Aber das hilft heute nicht mehr. Recht haben hat in der Politik noch nie zum Erfolg geführt.
Wir erinnern uns: Nicht die Wahrheit entscheidet über die Lüge, sondern die Mehrheit über die Minderheit.
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Herbert Grabe
am 16.01.2019