Herr Hermann, was haben die Grünen falsch gemacht, dass es in den Kreisen ihrer Sympathisanten und in der Wählerschaft so viel Unmut gibt über sie wegen Stuttgart 21?
Es ist uns – und der Protestbewegung – nicht gelungen, die Mehrheit bei der Volksabstimmung für den Ausstieg zu gewinnen. Nicht mehr und nicht weniger. Auf so vielen Veranstaltungen haben sich viele Grüne den Mund fusselig geredet. Aber wir sind mit unseren Argumenten nicht durchgedrungen. Dass wir nicht mehrheitsfähig waren, sollte auch bei der Protestbewegung zum Nachdenken führen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir das Projekt nach wie vor für falsch halten. Herr Grube ist ja auch der Meinung, dass er den Bahnhof heute nicht mehr bauen würde. Aber es gibt eine demokratische Mehrheit in Bund, Land und Stadt, die das anders sieht, und einen Volksentscheid, der diese Haltung stützt. Die Grünen dafür zu prügeln ist unpolitisch und nutzt den Falschen.
Auch bei der Bundestagswahl?
Ja, zum Beispiel in Stuttgart. Das könnte der CDU zwei Direktmandate bescheren. Das ist ja verrückt. Bei S 21 muss man doch sehen: Wo sitzen die wahren Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene? Das sind die Granden der CDU, die Bundeskanzlerin, Bundesverkehrsminister Ramsauer und ein Teil der SPD. In der ganzen Geschichte um Stuttgart 21 sind die Eigentümer der Bahn, diejenigen, die im Bund Verantwortung tragen, viel zu gut weggekommen. Wenn Angela Merkel, die Hauptvertreterin des Eigentümers der Deutschen Bahn, auch nur einmal tatsächlich so gedacht hätte wie die von ihr gern zitierte schwäbische Hausfrau, hätte sie sich anders entschieden. Dann hätte Wolfgang Schäuble, der den Sparkommissar wider die Verschwendung in Europa gibt, sagen müssen, dass Geld auch bei Stuttgart 21 eine zentrale Rolle spielt. Der knausert seit Jahren bei der Finanzierung des Schienentunnels in Offenburg, gibt aber für Stuttgart 21 – angeblich ein Projekt von nationaler Bedeutung – locker weitere Milliarden. Wie geht das zusammen? Und dann sagt die Kanzlerin, sie mische sich nicht ein. Das ist verantwortungslos, so darf sich ein Eigentümer nicht verhalten. Es gibt bei Stuttgart 21 nicht nur ein Managementversagen der DB, es gibt insbesondere auch ein Eigentümer- und Politikversagen.
Aber die Landesregierung wird von den Grünen geführt ...
... und handelt auf der Basis von Recht und Gesetz. Warum blenden so viele in der Protestbewegung völlig aus, dass wir nur 24,2 Prozent im Landtag haben? Jetzt wird der alte Apo-Spruch "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten?!" recycelt und auf uns gemünzt. Ich will nicht kleinreden, dass sich jeden Montag noch immer viele Menschen treffen. Aber die dürfen nicht glauben, sie wären eine Mehrheit. Wir sind gemeinsam offenbar nicht mehrheitsfähig gewesen. Man kann auf Dauer nicht ignorieren, dass eine Mehrheit im Landtag, im Gemeinderat und bei der Volksabstimmung Stuttgart 21 anders bewertet hat als wir.
Sie sehen also gar keine Chance, noch einmal ganz grundsätzlich über den Tiefbahnhof zu reden?
38 Kommentare verfügbar
LOL
am 14.09.2013…