Gut eineinhalb Jahre nach der Volksabstimmung keucht der S-21-Zug mühsam vor sich hin wie schon lange nicht. Und es braucht keine Faktenschlichtung, um die Verantwortlichen auszumachen. Der Verlauf der Lenkungskreis-Sitzung kurz vor Beginn der Sommerferien offenbart, dass die Deutsche Bahn weder willens ist, ihren Projektpartnern Stadt, Land und Region die Kostensteigerung auf knapp sieben Milliarden Euro mit belastbaren Zahlen plausibel zu machen, noch in der Lage, den selbst verursachten Problemberg entscheidend abzutragen.
All die Streitigkeiten, die Wortgefechte, die Desinformationen drehen sich im Kern nur um eines, darum wer am Ende welche (Un-)Summen herausrücken muss. Nur zur Erinnerung: Nach den Ursprungsplänen rollen schon seit 2008 die Züge über die acht tiefergelegten Gleise in die unterirdische Station, oben wird fleißig gebaut, der neue Stadtteil ist längst im Entstehen ...
Die Realität ist eine ganz andere. Mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird Stuttgart 21 nach Einschätzung der DB erst anno 22 fertig. Auf der Pressekonferenz nach dem Lenkungskreis-Sitzung am 23. Juli reizte Bahnvorstand Volker Kefer Landesverkehrsminister Winne Hermann mit Halbwahrheiten derart, dass der Grüne aus – eigentlich streng vertraulichen – Dokumenten zitierte: 2022 ist mit ebenjenen 80 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit versehen, 2023 mit 40 und 2024 schon heute immer noch mit 30.
Mindestens 100 Millionen für jedes weitere Jahr Bauzeit
Kein Thema allein für Spezialisten und Liebhaber. Erstens, weil der unselige Hang der Bahn zur Camouflage belegt wird, der sich als roter Faden durch das Projekt zieht, und weil zweitens jedes weitere Jahr Bauzeit mindestens hundert Millionen Euro kostet. Diese Summe jedenfalls hat die Bahn aus "kaufmännischer Vorsicht", wie Kefer herunterspielte, in die Gesamtrechnung eingestellt. Kein Mathematiker muss sein, wer mehr als eine Ahnung davon bekommen möchte, wie viel Geld allein durch Verzögerungen verschleudert wurde, die die Befürworter so gern den Gegnern anlasten möchten, wiewohl die Bahn sie in allen wesentlichen Teilen auf die eigene Kappe nehmen muss.
Obendrein drängt in diesen Tagen eine neue Schwierigkeit aus der Kulisse: Was tun mit dem Abraum? 2009 ging eine Präsentation im Zuge der Kampagne "Das neue Herz Europas" von rund vier Millionen Kubikmeter Gestein und Geröll aus, die beim Bau des Durchgangsbahnhofs und der Tunnel anfallen. Über "ein Förderband" solle es zum Nordbahnhof und von dort mit Güterzügen "zu speziellen Logistikstellen" transportiert werden, hieß es damals. Das hochgemute Selbstlob illustriert die Dimension: "Damit werden rund 2400 LKW-Fahrten pro Tag vermieden."
Inzwischen hat sich das Schutt-Volumen im am besten gerechneten Großprojekt aller Zeiten verdoppelt – auf nunmehr acht Millionen Kubikmeter. Laut aktuellen Bahnauskünften fällt davon die Hälfte im „innerstädtischen Bereich“ an. Und weiter: „Um im Zentrum Stuttgarts einen optimalen und wirtschaftlichen Bauablauf zu garantieren und Schmutz und Lärmemissionen sowie Verkehrsbeeinträchtigungen auf ein Minimum zu reduzieren, wurde ein maßgeschneidertes Baulogistikkonzept entwickelt.“ Eben dieses Konzept kommt die Bahn aber (zu) teuer, weshalb sie im Lenkungskreis mehr Unterstützung anmahnte, um notwendige Verfahren zu beschleunigen. OB Fritz Kuhn ließ Kefer kalt ablaufen: „Wir können nur Dinge bearbeiten, die richtig beantragt sind.“ Für den Bahn-Vorstand ein neuer von „behördlichen Schwergang“ und eine neue Verletzung der Förderpflicht. Man habe gestritten, berichtet er danach verschnupft.
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leoloewe
am 08.08.2013• Der Integrale Taktfahrplan Baden-Württemberg (ITF) und in diesem Zusammenhang stehende Verbesserungen im Regionalverkehr werden…