Wer gedacht (oder gehofft) hat, Stuttgart 21 im Wahlkampf unter die Erde legen zu können, hat sich getäuscht. Zunächst gab's ein volles DGB-Haus für Cem Özdemir, der sich nach Kräften mühte, den 400 Zuhörern zu versichern, er sei schon immer gegen das "Unsinnsprojekt" gewesen. Assistiert vom verkehrspolitischen Sprecher der Bundes-Grünen, Toni Hofreiter, der es zum "Quatschprojekt" steigerte. Befeuert von den Stuttgarter Rathaus-Grünen, die auch die Proteste der Untertürkheimer vernommen haben: gegen den Baulärm der Bahn. Und jetzt kommt Winfried Hermann aus der Deckung. Im Exklusivinterview mit Kontext redet sich der Landesverkehrsminister seinen ganzen Frust von der Seele. Über die Bahn, die Kanzlerin, die SPD – und über die Protestbewegung. Grün ist aufgewacht.
Irgendwann ist eben Schluss mit dem Krötenschlucken. Wer Rüdiger Grube, Volker Kefer, Peter Ramsauer und Claus Schmiedel permanent ertragen muss, braucht eine große Leidensfähigkeit. Wer sich dem Ukas aus dem Staatsministerium fügen muss, eine hohe Loyalität. Und wer schlussendlich in die Nähe des "Lügenpacks" gerückt wird, eine ausgeprägte Frustrationstoleranz. Nun kann man einwenden, dass all das im Gehalt eines Ministers inbegriffen ist, eines Politikers, der wusste, was dieses Amt mit sich bringen würde, den niemand gezwungen hat, den Job zu übernehmen. Aber manchmal darf man sich auch in den Menschen versetzen. Selbst die Politik ist keine empathiefreie Zone.
In diesem Zusammenhang ist ein Satz in dem Interview besonders aufschlussreich: "Was haben mir CDU- und FDP-Politiker und manche Genossen alles an den Kopf geworfen. Da ist keiner gekommen und hat sich entschuldigt, als sich meine Kostenprognosen bestätigt haben."
Insoweit ist das Interview auch ein Spiegelbild der Gemütslage Hermanns, die seine politische Sicht der Dinge und sein Handeln durchschaubarer machen kann. Und deshalb veröffentlicht Kontext das Gespräch in voller Länge.
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Bernhard Knierim
am 10.09.2013