Ein paar Monate in die Zukunft gedacht: Welche Parteien müssten nach der Bundestagswahl in die Regierung kommen, damit sich etwas an den Exportrichtlinien ändert?
Wenn die Grünen in die Regierung kämen, gäbe es auf jeden Fall eine Kraft, die stärker darauf achten würde als die CDU. Das würde auch stärker die Kräfte in der SPD ermuntern, in diese Richtung, Rüstungsexporte zu begrenzen, zu gehen. Wenn die Linke mit rein käme, gäbe es noch eine stärkere Kraft. Wenn die große Koalition bleibt oder auch die FDP reinkommt, dann wird es ein Weiter-so geben. Mit der FDP gibt es kein Rüstungsexportgesetz.
Zu den Folgen dieser Rüstungsexportpolitik: Welcher Staat im Nahen Osten leidet momentan am meisten dadurch, dass deutsche Unternehmen zugunsten der dortigen Autokraten Profite machen wollen?
Die Menschen im Jemen bringen die größten Opfer. Dort sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mit ihren Luftwaffen beteiligt an den Bombardements, deren Flugzeuge sind aus europäischer Produktion, und die Raketen zum Teil von Diehl Defence aus Überlingen. Das zu stoppen, hat das europäische Parlament gegenüber Saudi-Arabien gefordert, das wäre die richtige Politik. Und Jemen ist weitaus weniger in den Medien als Syrien, aber auch dort gibt es 10 000 Tote, zehn Millionen Geflohene, die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Sie beschäftigen sich auch mit Konversion, der Umstellung von militärischer zu ziviler Produktion. Das Rüstungsgeschäft sei ohnehin nicht so bedeutend für die deutsche Wirtschaft.
Am Bruttoinlandsprodukt liegt der Anteil der Rüstungsproduktion nur bei etwa 1 Prozent, weniger als 20 000 Beschäftigte sind direkt an der Produktion von Waffen beteiligt, 150 000 Arbeitsplätze laut BDSV in der Branche insgesamt vorhanden.
Warum wird dann so vehement daran festgehalten?
Selbst wenn es der Politik nicht so wichtig wäre, gibt es den Druck der Industrie, die sehr gut vernetzt ist, die ihre Verbündeten im Bundestag hat. Darum ist die Politik in vielen Punkten einfach Erfüllungsgehilfe der Wirtschaft. Heckler & Koch etwa sitzt ja im Wahlkreis von Volker Kauder, und wenn Heckler & Koch Druck macht, wird Kauder im Bundestag nicht dagegen steuern. Das ist in CDU- genauso der Fall wie in SPD-Wahlkreisen, und übrigens auch in früheren FDP-Wahlkreisen. Bei Grünen und Linken ist es tatsächlich weniger.
Andere Wege scheinen ja möglich: In Thüringen hat sich der Landtag schon damit beschäftigt, eine Konversion anzustoßen beim Konzern Jenoptik, der unter anderem die Optik für die Leo-2-Panzer, Jagdflugzeuge und Drohnen macht. Ist Konversion auch eine Option für baden-württembergische Firmen wie Diehl Defence oder Heckler & Koch, wo der Waffenproduktionsanteil sehr hoch ist?
Bei reinen Waffenproduzenten so wie Heckler & Koch nicht. Bei Diehl Defence ist in Baden-Württemberg der Rüstungsanteil tatsächlich sehr hoch, aber auch die haben zivile Produktion an anderen Standorten. Und wenn man da über die Jahre hinweg den zivilen Anteil stärkt und den Rüstungsanteil zurückfährt, dann halte ich das für ein Modell. Aber es braucht auch den politischen Druck von oben.
Viele Rüstungsunternehmen haben diese Umstellung auf zivile Produktion angesichts zuletzt schrumpfender Bundeswehretats längst eingeleitet. Nun hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Erhöhung des Bundeswehretats in Aussicht gestellt, was wie eine Reaktion auf die Forderungen Donald Trumps wirkte. Wie schätzen Sie diese Ankündigung ein?
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Schwabe
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