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Kommerzieller und Non-Profit-Journalismus

Die Kleinen machen Vielfalt

Kommerzieller und Non-Profit-Journalismus: Die Kleinen machen Vielfalt
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Der gemeinnützige Journalismus hat in der Politik wenig Freunde. Das könnte sich ändern, wenn es Margit Stumpp gelingt, ihn in das Programm ihrer Partei zu pflanzen. Die Königsbronnerin ist die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

Hartnäckigkeit speist sich aus Überzeugung. Und Margit Stumpp ist davon überzeugt, dass jede Demokratie eine lebendige und vielfältige Medienlandschaft braucht. Dass Pressefreiheit verteidigt und immer wieder neu erkämpft werden muss. Und so wird die 57-jährige Grüne nicht müde, ihre Stimme zu erheben: Auf einer Kundgebung für die Freilassung des Wikileaks-Gründers Julian Assange auf dem Stuttgarter Schlossplatz ebenso wie im Bundestag oder in Gesprächen mit den baden-württembergischen ParteifreundInnen. Ebenso beharrlich setzt sich die Abgeordnete aus dem baden-württembergischen Königsbronn dafür ein, dass Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig anerkannt wird. "Schon allein das Geifern der AfD hat mir gezeigt, wie wichtig das ist", betont Stumpp gegenüber Kontext.

Dieses Geifern hat sie Anfang Mai erlebt, als sie gemeinsam mit Anton Hofreiter einen Antrag "Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig anerkennen" im Bundestag eingebracht hat. Er wurde abgeschmettert, wieder einmal, wie schon im Juni vergangenen Jahres. Weil FDP, SPD und CDU zwar immer das hohe Lied auf die Pluralität von Medien singen, aber kneifen, wenn es darum geht, journalistische Gemeinnützigkeit in Gesetze zu gießen. Oder, wie im Fall der SPD, nicht gegen den Koalitionspartner stimmen wollen.

Margit Stumpp, seit 2017 medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, lässt sich davon nicht entmutigen. "Nur mit Medienvielfalt können wir Pressefreiheit schützen", sagt sie. Wenn alle Informationen aus einem Topf kommen, fehle der andere Blick auf die Welt. Und so setzt sich die ehemalige Lehrerin nun dafür ein, dass die Förderung der kleinen Non-Profit-Projekte – "Die Kleinen machen die Vielfalt aus" – auch im Wahlprogramm ihrer Partei steht. Als ein Baustein gegen zunehmende Medienkonzentration und für Qualitätsjournalismus. Es wäre ein Novum.

Und weil die Frau von der Ostalb von ausgeprägter Sturheit ist, hat sie der parlamentarischen Abfuhr Anfang Mai schon wenige Tage später in Berlin ein Gutachten hinterhergeschoben mit dem sperrigen Titel "Möglichkeiten öffentlicher Förderung von Lokal- und Regionaljournalismus bei Wahrung der Staatsferne". Das mag nicht sexy klingen, hat es aber in sich. Was die Wissenschaftler vom Mainzer Medieninstitut im Auftrag der Grünen zusammengestellt haben, ist nicht nur ein Überblick darüber, wie es die europäischen Länder mit der Förderung halten. Es zeigt auch, dass fördernde Länder wie Norwegen, Dänemark und Schweden im Ranking der Pressefreiheit weit vorne, auch weit vor Deutschland liegen.

Am besten wäre die Umsetzung

Und damit wäre auch ein Argument von Mathias Döpfner, dem Präsidenten des Zeitungsverlegerverbandes (BDZV) und Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags, obsolet: "Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust der Unabhängigkeit durch Subventionen." Mannhaft also gegen staatliche Förderung – und gegen Konkurrenz. Denn diese Subventionen kämen auch gemeinnützigen journalistischen Projekten wie Correctiv, Hostwriter oder Kontext zugute. Gegen eine kleine Unterstützung bei der Zustellung ihrer Produkte allerdings hätten die Verleger keine Einwände gehabt. Freilich, es hat nicht geklappt, das Geschäftsmodell der Verlegerpresse mit dieser Geldspritze über die Zeit zu retten. Darüber ist Stumpp nicht traurig.

Denn es braucht neue Ideen, wenn die alten nicht mehr taugen. Das ist wichtiger denn je. Corona hat der Medienkonzentration noch einen Schub gegeben. Die Großen schlucken die Kleinen, stecken die Reklameverluste besser weg, schicken ihre Redakteurinnen und Redakteure in Kurzarbeit, ihre freien MitarbeiterInnen gleich vom Hof. Dazu kommt, dass Deutschland wegen zunehmender Gewalt gegen JournalistInnen im Ranking der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen abrutschte. Stumpp hat das im Blick.

Ebenso das nächste Ziel: die Verabschiedung des Wahlprogramms beim grünen Bundesparteitag Mitte Juni. Rund 3.000 Anträge sind schon eingegangen, einer setzt sich für die Rechtssicherheit des gemeinnützigen Journalismus ein. Rund 100 Grüne unterstützen den Antrag. Darunter Lukas Beckmann, der von 1994 bis 2010 Fraktionsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion war und später als Vorstandsmitglied der Stiftung GLS Treuhand gemeinnützige Medienprojekte unterstützt hat. Ebenfalls zu den Förderern gehört der Europaabgeordnete und Attac-Mitbegründer Sven Giegold.

Ihr gemeinsamer Antrag beginnt mit dem Bekenntnis: "Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie." Und er endet mit der Ankündigung: "Um Qualitätsjournalismus zu stärken, werden wir die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinnützigen wie kommerziellen Journalismus substantiell verbessern."

Gut, weil demokratiefördernd, wäre es, wenn es der Antrag ins grüne Wahlprogramm schaffen würde. Besser, wenn die Förderung von gemeinnützigem Journalismus auch in einem Koalitionsvertrag stehen würde. Am besten, wenn sie dann auch umgesetzt würde. Damit aus Worten endlich Taten werden.


Kontext ist Gründungsmitglied des Forums gemeinnütziger Journalismus, die Autorin ist Mitglied im erweiterten Vorstand.


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