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Bizarrer Kleinkrieg

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Der "Schwarzwälder Bote" (Schwabo) führt einen bizarren Kleinkrieg gegen seinen Betriebsratsvorsitzenden Thomas Ducks. Die Konzernbetriebsräte der SWMH, zu der das Oberndorfer Blatt gehört, haben jetzt Strafanzeige gegen die Geschäftsführung gestellt.

Um zu verstehen, wie es zu dem Streit kommt, muss man wissen, dass Ducks (55) den längsten Journalistenstreik in der deutschen Nachkriegsgeschichte angeführt hat. 96 Tage hatten die RedakteurInnen des Schwabo im Jahr 2011 den Griffel weggelegt, um zu verhindern, dass ihre Tarifverträge ausgehebelt werden. Mit Erfolg – und das nagt bis heute. Insbesondere an Hans-Peter Schreijäg, der in Personalunion Geschäftsführer und Chefredakteur ist.

Gewerkschafter Ducks ist nicht nur in Oberndorf aktiv, sondern auch noch stellvertretender Vorsitzender in zwei Konzernbetriebsräten: in der Medienholding Süd (MHS) und der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH).

Deren Obergeschäftsführer wiederum ist Richard Rebmann, Verleger des "Schwarzwälder Boten", der durch den Streik bundesweite Aufmerksamkeit erlangt hat. Sein leitender Angestellter Schreijäg ■■■■■■■■* seit September 2015, dass Ducks seine Betriebsratstätigkeit überwiegend auf die Zeit zwischen 13.30 und 21.30 Uhr, also auf seine normale Schicht beim Schwabo, begrenzt. Das geht in Oberndorf, aber nicht mehr in Stuttgart und München, wo die konzerneigene "Süddeutsche Zeitung" sitzt. Die Gremien dort können sich nicht danach richten, wann Ducks fahren darf, kann oder nicht.

Mehr noch: Der Arbeitgeber will, laut Gewerkschaft, dass Ducks dokumentiert, was er im Einzelnen tut, und das gehe "weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus", betont Verdi-Sekretär Uwe Kreft: "Da wird von Thomas Ducks verlangt, Formulare auszufüllen, um detailliert zu beweisen, dass er die Betriebsratsarbeit zwingend außerhalb seiner oben genannten Schichtzeiten machen musste." Und wenn er sich nicht daran halte, ■■■■■■■■* für die Betriebsratstätigkeit keinen Freizeitausgleich erhalten oder ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■*, habe der Verlag angedroht, berichtet Kreft.

Kein Einzelfall im Reich der SWMH

Der Betroffene selbst spricht von "Bossing", das der Verlag seit mehr als einem Jahr gegen ihn betreibe. "Man versucht, mich mürbe zu machen", sagt Ducks, "damit ich die Arbeit im Konzernbetriebsrat aufgebe." Mit weitreichenden Folgen. "Das ist eine Angelegenheit, die uns alle angeht", bekräftigt er, "wenn sie es mit mir schaffen, schaffen sie es auch bei anderen."

Gegenüber Kontext zeigt er sich "froh und dankbar" für die konsequente Haltung aller Konzernbetriebsräte in der SWMH und MHS. Die Staatsanwaltschaft einzuschalten, sei ein Schritt, den sich niemand leicht mache. Die Arbeitgeberseite habe aber "schlicht keine andere Wahl gelassen", sagt der streitbare Gewerkschafter. Zumal, so bekräftigt Kreft, Ducks nicht als Einzelfall im Reich der SWMH zu betrachten sei.

Unterstützt wird er von Verdi-Fachbereichsleiter Siegfried Heim, der beklagt, dass auf Ducks in einer Art und Weise Druck ausgeübt werde, "die aus unserer Sicht durchaus als Behinderung der Betriebsratsarbeit gewertet werden muss". Ein klärendes Gespräch am 6. Dezember 2016 mit der Schwabo-Geschäftsleitung blieb erfolglos, und Schreijäg erklärte auf Nachfrage, es handle sich um "ein internes Thema", zu dem er "keine öffentliche Stellungnahme abgeben möchte". An der persönlichen Arbeitszeit des Betriebsratsvorsitzenden bestehe kein öffentliches Interesse.

Für die beiden Konzernbetriebsräte in Stuttgart und München war damit die Schmerzgrenze erreicht. Am 9. Januar 2017 schrieb das SWMH-Gremium, hier solle "ein Exempel statuiert werden, um ihm (Thomas Ducks – d. Red.) und anderen streitbaren Kollegen den Schneid abzukaufen".

Die Konzernbetriebsräte haben die Faxen dicke

Die einstimmig beschlossene Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit, die über Weihnachten noch in der Schublade blieb, um der Gegenseite Gelegenheit zum Einlenken zu geben, wurde der Staatsanwaltschaft Rottweil überstellt. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende der MHS, Samir Alicic, hatte bereits Ende Dezember Anzeige erstattet.

Ob die Arbeitnehmervertreter damit Erfolg haben werden, scheint eher ungewiss. Zwar steht im Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz, dass die Behinderung der Betriebsratsarbeit mit bis zu einem Jahr Haft oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. Doch in der Praxis laufe dieser Paragraf "meist ins Leere", so Silke Clasvorbeck, Rechtschutzsekretärin beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Nur selten komme es zur Anklage, weil es für ein Bagatelldelikt gehalten werde. "Obwohl das Gesetz eindeutig ist, scheuen sich die Staatsanwälte wohl davor", erläutert sie, "Arbeitgeber als Straftäter darzustellen."

Wie unerbittlich der Streit von Seiten des "Schwarzwälder Boten"/SWMH geführt wird, zeigt ein weiterer Vorgang: Wegen eines Flugblatts prozessierte Geschäftsführer Schreijäg mit Verdi und deren Konzernbeauftragten Kreft. Darin hatte die Gewerkschaft über die Auseinandersetzung um Ducks berichtet. Schreijäg hatte Unterlassungsklage erhoben, weil in dem Text seine Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Seitdem darf die Gewerkschaft das Flugblatt nicht mehr verbreiten.

Am 8. November 2016 wurde in München vor dem Landgericht verhandelt. "Mit großem juristischem Aufwand versucht der Chefredakteur des Schwarzwälder Boten, Verdi gerichtlich zum Schweigen zu bringen", so Fachbereichsleiter Heim. "Am Ende ging es um ein Wort", ergänzt Kreft. Schreijäg zeigte sich damals "optimistisch, dass das Verfahren zu meinen Gunsten ausgeht". Er sollte recht behalten: Am 5. Januar 2017 entschied das Münchner Gericht im Sinne Schreijägs.

Wo ist das Problem von Herrn Dr. Ducks?, fragt der Chefredakteur

Kreft legt nun seinerseits nach. Es sei eine "Schande", teilt er mit, dass ein Konzern, der so viel Geld habe, um eine Zeitung nach der anderen aufkaufen zu können, zu solchen Mitteln greife. Er sei "echt gespannt", wie dies die "ansonsten angestrengt netten" MHS-Geschäftsführer Herbert Dachs und Alexander Paasch erklären wollten. Eine Behinderung der Betriebsratsarbeit hätten sie bisher "weit von sich gewiesen". Aber das könnten sie jetzt der Staatsanwaltschaft Rottweil vortragen. Dass der Schwabo-Chefredakteur allein Handelnder sei, glaube nicht mal jemand, der "schon nächtelang auf der Oberndorfer Fasnet unterwegs war".

Jetzt äußert sich Schreijäg doch. Auf Anfrage betont er, er könne die Strafanzeige der Betriebsräte "weder verstehen noch nachvollziehen". Er habe "Herrn Dr. Ducks" nie angewiesen, seine BR-Tätigkeiten "ausschließlich innerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit zu erledigen", noch detaillierte Aufstellungen verlangt. Die Geschäftsführung erwarte lediglich, dass sie "nachträglich stichwortartig informiert" werde. Dies sei "keine Schikane", sondern eine Vorgabe, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebe. Insofern verstehe er bis heute nicht, was eigentlich das Problem für Ducks sei.

"Abwegig" erscheint Schreijäg auch die Vermutung, der Streit könne eine späte Rache für den Streik 2011 sein. Er sei froh, betont der Geschäftsführer, dass "wir die damaligen Konflikte hinter uns haben". Sein Blick richte sich jetzt in die Zukunft, auf den "Qualitätsjournalismus" des "Schwarzwälder Boten", der in einer "demokratischen Meinungsbildung wichtig" sei.

 

*Schwärzungen auf Verlangen der SWMH (6.2.2017).


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