Nach 14-jähriger Bauzeit werden die ersten Lichtaugen des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs unter großen weißen Zelten aufwendig zusammengeschweißt. Währenddessen flammt ein Dauerbrenner im Streit über das milliardenschwere Bahnprojekt wieder auf: "Kein Zug wird fahren bei S 21", prophezeien Projektkritiker:innen, dass Stuttgart 21 letztlich scheitern wird, und zwar am mangelhaften Brandschutz in den zum Tiefbahnhof führenden Tunneln. Die Diskussion, wie sicher das knapp 60 Kilometer lange Tunnelsystem unter der Landeshauptstadt ist, begleitet neben exorbitanten Kostensteigerungen, jahrelangen Bauverzögerungen und fraglichen Leistungsversprechen den Bau des neuen Bahnknotens von Anfang an.
Nun kommt es aus Sicht der Kritiker:innen zum "Showdown". Ungewollt angeheizt ausgerechnet vom störrischsten Projektpartner der Bahn (siehe Urteil zur Finanzierungsvereinbarung): durch das Land Baden-Württemberg, dessen Landesanstalt für Schienenfahrzeuge (SFBW) vor zwei Jahren für rund 2,5 Milliarden Euro 130 neue Züge bestellt hat. Die hochmodernen Doppelstockzüge des französischen Bahntechnik-Konzerns Alstom sollen nach Inbetriebnahme des neuen Bahnknotens neben gestiegenem Komfort vor allem mehr Kapazitäten im hiesigen Regionalverkehr ermöglichen. Doch mit der höheren Zahl an Fahrgästen, die in den "Coradia Stream High Capacity", so der Name des georderten Zugmodells, unterwegs sein werden, steige unweigerlich das Risiko einer verheerenden Tunnelkatastrophe, rechnen Projektkritiker:innen wie Christoph Engelhardt vor.
Giftige Gase sind schneller als Flüchtende
Von den bis zu 3.700 Passagieren, die in den neuen Zügen in der Vierer-Traktion (vier Einzelzüge gekoppelt) Sitz- und Stehplätze finden, werden sich die wenigsten bei einem Brand im Untergrund lebend retten können, warnte der Physiker und Betreiber des S-21-Faktencheck-Portals "Wikireal.org" kürzlich vor der Presse. Doch auch bei weit kürzeren Zügen ergebe sich immer das gleiche Problem: In der engen Röhre des Fildertunnels etwa – mit knapp neun Kilometern längster Tunnel des Bahnknotens – werden sich giftige Brandgase schneller ausbreiten, als Zugreisende und Bahnangehörige in einen der Rettungsquerschläge flüchten können, die dort in jeweils 500 Metern Abstand eine Evakuierung in die rauchfreie Nebenröhre ermöglichen sollen. Bei einem vergleichbaren Unglück in einem Tunnel, der Brandkatastrophe der Gletscherbahn im österreichischen Kaprun am 11. November 2000, starben 155 Menschen so an Rauchgasvergiftung.
5 Kommentare verfügbar
Ludwig G.
am 16.05.2024