Die Frage, die dabei stets im Raum steht: Was war denn dieser Stauffenberg für einer? Ein zu bewundernder Held, weil er versuchte, Hitler zu töten, oder doch eine eher skeptisch bis ablehnend zu betrachtende Figur, weil er gewiss kein Demokrat war, ein eher elitär-autoritäres Staatsverständnis hatte und lange begeisterter Hitler-Anhänger (was man auch kurz übersetzen könnte mit: Nazi) war? Diese Frage, wie man Stauffenberg denn nun zu bewerten habe, werde ihr immer wieder gestellt, sagt Paula Lutum-Lenger, Direktorin des HdG. Und sie antworte dann immer wieder: Das sei nicht so einfach. Er ist eine ambivalente Figur, allenfalls in Grautönen zu zeichnen, nicht geeignet für schlichte Schwarz-Weiß-Raster, so sehr sich viele Menschen auch nach so klaren Einordnungen sehnen. Und da sein Attentat scheiterte, weiß man ja auch nicht, was im Erfolgsfall daraus hätte werden können. Viel Platz für kontroverse Deutungen also, die gelegentlich mehr über die Deutenden sagen als über ihr Objekt.
Am Anfang der Ausstellung steht "Streit"
So gesehen ist es ziemlich clever, wenn das HdG seine neue, recht kleine und kompakte Stauffenberg-Schau gleich mit dem Themenblock "Streit" beginnt: An einer Wand reihen sich zahlreiche Zitate von Historikern, Journalisten, Politikern und Angehörigen aneinander. "Ist Stauffenberg plötzlich kein Held mehr?", fragt etwa die "Bild"-Zeitung, "Nazi-Antisemit, kühner Wirrkopf?" die "Zeit". "Ich sehe ihn nicht als Helden, sondern als Vorbild", sagt seine Enkelin Sophie von Echtolsheim, während der Historiker Johannes Hürter das vermutlich nicht so sieht: "Stauffenberg war kein Demokrat, er wollte keine Republik, sondern etwas Autoritäres."
Diese Debatte, wie Stauffenberg angesichts seiner undemokratischen Einstellungen zu bewerten sei, wurde schon in den 1960ern geführt. "Seitdem ist klar, dass vom 20. Juli keine direkte Linie zur Demokratie der Bundesrepublik führt, wie sie sich seit 1949 entfaltet hat", sagte der Historiker Norbert Frei 2015 in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau". "Aber die Tatsache, dass der Umsturz versucht worden ist, wenn auch zu später Stunde, verdient unsere Anerkennung." Freis Zitat steht nicht an der Wand – es hätte gut gepasst.
Mögen sich antifaschistisch und eher politisch links gesinnte Menschen auch stets schwer getan haben mit dem doch im autoritären Denken verhafteten Stauffenberg, so schien die Deutung auf der politischen Rechten bislang einfacher gewesen zu sein: Stauffenberg als klarer Verräter, weil es gegen Hitler ging, weil ein Soldat so etwas nicht tut, nicht seinem Staat in den Rücken fällt. Entsprechende Behauptungen eines zweiten "Dolchstoßes" waren kurz nach Kriegsende populär. So dokumentiert die Ausstellung die Berichterstattung über den "Remer-Prozess" 1952: Otto Ernst Remer, Mitgründer der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) hatte 1951 die Beteiligten am Hitler-Attentat als "Landesverräter" bezeichnet. Vor dem Braunschweiger Landgericht wurde er dafür, vorangetrieben vom leitenden Staatsanwalt Fritz Bauer, wegen Verleumdung zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – der er sich durch Flucht ins Ausland entzog.
Neu bei Pegida und Co.: die Chiffre "Stauffenberg 2.0"
Doch auch bei den Rechten sind die Rezeptionsmuster nicht statisch. Auf einem von vier Monitoren, die Diskussionen über Stauffenberg in den sozialen Medien dokumentieren, finden sich Posts aus dem rechten Milieu mit erstaunlich heftigen Kontroversen über Stauffenberg. Da steht in einem Post zusammen mit dem Hashtag "#MerkelEntsorgen" die Frage: "Wo bleibt ein Stauffenberg 2.0?" Oder: "Wer ruft Operation Walküre 2.0 aus?"
"Stauffenberg 2.0" sei eine Chiffre, die seit 2013 unter anderem von der Pegida-Bewegung verwendet wird, sagt Christopher Dowe, der die Ausstellung kuratiert hat. Hier steht nicht der Verrat eines Soldaten gegen seinen Oberbefehlshaber, sondern der versuchte Herrschermord im Mittelpunkt von – nun positiv konnotierten – rechten Stauffenberg-Assoziationen.
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Marla M.
am 27.07.2019„Meine erste und wichtigste Aufgabe war“, schreibt Dulles einleitend, „herauszubekommen, was in…