Wie kommt es zu dieser marktbeherrschenden Stellung der Konzerne?
Eine Schlüsselrolle spielt das Geld. Es ist nicht bloß ein harmloses Tauschmittel. Ihm wohnt auch eine strukturelle Macht inne. Es vermehrt sich durch Zinsen und Zinseszinsen selbst. Das nenne ich ein leistungsloses Einkommen – die Ökonomen sprechen auch von Rente –, denn wer von Zinsen lebt, braucht nichts dafür zu tun. Es gibt aber noch weitere leistungslose Einkünfte, die bei der Akkumulation und Konzentration von Kapital eine Rolle spielen: Dividenden, zusätzliche Einnahmen durch Monopole, Patent- und Markenprivilegien, aus Haftungsbeschränkungen bei Kapitalgesellschaften, aus Steuerprivilegien und nicht zuletzt aus dem Besitz von Grund und Boden oder Immobilien. Solche privaten Einnahmen aus dem Besitz oder privilegierten Zugängen zu Ressourcen haben in den letzten Jahrzehnten einen enormen Umfang angenommen.
Was passiert, wenn die hohen Vermögen immer weiter wachsen und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht?
Das erleben wir ja gerade in aller Deutlichkeit. Die Krisen, denen unsere Gesellschaft ausgesetzt ist, häufen sich: zuerst die Corona-Pandemie, dann die Kriege in der Ukraine, Gaza und im Sudan, die Unterbrechungen globaler Lieferketten und die Inflation. Über allem schwebt als Damoklesschwert die Klimakrise, und in großen Teilen der Welt sind autoritäre Regierungsformen auf dem Vormarsch. Alle diese Krisen stellen einen großen Stresstest für die Gesellschaft dar, und das Erstarken des Rechtsextremismus zeigt, wie viel Vertrauen die etablierten politischen Kräfte in den letzten Jahrzehnten verloren haben. Im alltäglichen realpolitischen Gerangel sind die ursprünglichen Ideale von Sozialdemokratie und Grünen verblasst und haben kaum noch Überzeugungs- und Anziehungskräfte. Zudem gibt es seit dem Niedergang des Sowjetimperiums ohnehin keine große Sozialutopie mehr. Von alledem profitieren die Rechtsextremen, obwohl sie keinerlei Auswege aus den Krisen der Gegenwart anzubieten haben.
Brauchen wir eine Umverteilung?
Angesichts der gigantischen sozialen Ungleichheit bedarf es einer Doppelstrategie: Staatliche Umverteilungen, zum Beispiel eine Wiederinkraftsetzung der Vermögenssteuer, sind notwendig. Sie können aber die kapitalistische Marktwirtschaft nur quasi von außen zähmen. Zu ihrer Kernsanierung braucht es weitergehende Strukturreformen.
Der Untertitel Ihres Buches lautet: "Von der Akkumulation und Konzentration der Wirtschaft zu ihrer Dezentralisierung". Der erste Teil bezieht sich auf die Zeit der Industrialisierung. Ist diese Epoche vorbei?
Wirklich vorbei ist sie nicht. Zwar sind der frühkapitalistischen Industriegesellschaft eine Dienstleistungs- und eine Informationsgesellschaft gefolgt, und derzeit befinden wir uns mitten in der digitalen Revolution. Aber die Entwicklung folgte von ihren Anfängen bis heute dem verfehlten Grundprinzip der Akkumulation und Konzentration von Geld- und Realkapital. Zwar wurde es teilweise auch durch Leistung erworben, aber zum größeren Teil stammt es aus dem Bezug von leistungslosen Privilegieneinkünften. Zudem ist und bleibt dieses falsche Grundprinzip fossil basiert. Auch wenn regenerative Energien aus Sonne und Wind an die Stelle der Energien aus Öl, Gas und Uran treten, werden gigantische Mengen von natürlichen Ressourcen verbraucht.
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Will
am 11.09.2024