Das Prinzip des Gemeinguts gibt es schon lange. Zu den bekanntesten Commons gehören die Allmenden aus dem Mittelalter, also ein Stück Land, das gemeinsam bewirtschaftet wurde. Tomislav Knaffl wird öfter zu dem Thema als Referent eingeladen. Er ist Mitgründer der "teilbar" im Stuttgarter Westen, eine Art Bibliothek für Haushaltsgeräte und Werkzeug. Beim Gespräch mit Kontext fasst er das Konzept von Gemeingut grob zusammen als "das gemeinsame Bearbeiten, Teilen, Pflegen und Organisieren von Ressourcen".
Das kann zum Beispiel ein Föhn sein, der der ganzen Familie gehört, die gemeinsam schaut, wann er gebraucht wird oder ob er repariert werden muss. Aber auch bekannte größere Projekte wie Wikimedia oder Open-Software lassen sich als Commons verstehen.
Auch Commons-Projekte, die sich um Nahrungsmittelversorgung kümmern, gibt es im großen Stil, etwa Cecosesola (Central Coperativa de Servicios Sociales del Estado Lara), eine kooperative Zentrale für soziale Dienste im Bundestaat Lara, Venezuela. Sie betreibt in der Hauptstadt drei Wochenmärkte, die ein Viertel der Bevölkerung versorgen. Die Preise liegen circa 30 Prozent unter den Preisen von privatwirtschaftlichen Märkten. Zu dem Verbund gehören außerdem zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe, die ihre Produkte auf den Wochenmärkten verkaufen.
Bei Commons-Projekten steht nicht das Eigentum, sondern der soziale Prozess und der gemeinschaftliche Umgang mit dem Eigentum im Vordergrund. "Die Lebensmittel sind nur der Katalysator für den sozialen Raum", sagt auch Matthias Murjahn über die Commons Kitchen. Da das Essen gespendet wird, müssen die Besucher:innen nichts bezahlen.
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Vor der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 wurden Commons in der klassischen Ökonomie meist als zum Scheitern verurteilte Projekte gesehen, so etwa durch den US-amerikanischen Ökologen Garrett Hardin und seinen Essay "The Tragedy of the Commons" ("Die Tragödie des Gemeinguts"). Laut Hardin würden Menschen, sobald eine Ressource frei zugänglich sei, versuchen, diese für sich selbst zu maximieren. Sobald zu viele Menschen diese nutzen, und alle möglichst viel für sich rausholen wollen, greife die Tragik der Commons, die im Endeffekt zum Ruin aller führen würde.
Doch diese Sichtweise ist umstritten. Durch die Wirtschaftskrise 2008 kam eine kurze, aber lebhafte Debatte auf, die die Selbstregulierung des freien Marktes in Frage stellte. Auch die Verleiher:innen des Wirtschaftsnobelpreises erweiterten ihren Horizont. So kam es dazu, dass 2009 die US-amerikanische Professorin für Politikwissenschaft Elinor Ostrom den Preis für ihre Analyse ökonomischen Handelns im Bereich Gemeinschaftsgüter gewann.
International bekannt war sie bereits 1990 geworden mit ihrem Werk "Governing the Commons", in dem sie sich mit Problemen des Allgemeinguts beschäftigt. Sie entwickelte acht Prinzipien, die eine erfolgreiche Bewirtschaftung von Allgemeingut möglich machen sollen. Zu diesen zählt sie ein Mindestmaß von staatlicher Anerkennung, Konfliktlösungsmechanismen und gemeinschaftliche Entscheidungen.
1 Kommentar verfügbar
Katarina
am 02.12.2023Der Historiker belegt an vielen Beispielen, dass gängige…