Bei der Naumann-Stiftung überwiegt der Tenor: Grenzenlos Schulden machen geht gar nicht. Das Podium ist dann auch "nicht besonders konfrontativ besetzt", wie der Unternehmer Wenniges feststellt. Neben ihm selbst nehmen Platz: Lucie Zmijanjac, Mitglied im Vorstand des Landesverbands Württemberg des Verbands deutscher Unternehmerinnen, die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch und, als Stargast, der Ex-Wirtschaftsweise und heutige Berater von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Professor Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, einer der renommiertesten Ökonomen der Republik.
Bevor die Runde damit loslegte, für weniger Bürokratie und einen schlankeren Sozialstaat zu werben, hält Feld einen einführenden Vortrag zu einem Gutachten, mit dem die Naumann-Stiftung das von Feld geleitete Walter-Eucken-Institut beauftragt hat. Es trägt den Titel "Die Schuldenbremse als Garant nachhaltiger Haushaltspolitik", und damit ist die zentrale Botschaft vorweg genommen. Fiskalpolitische Schranken brauche die öffentliche Hand, weil sonst "der einarmige Keynes" drohe, erläutert Feld: "Wenn es schlecht läuft, macht der Staat viele Schulden, und wenn es gut läuft, nicht viel weniger." Bemerkenswert ist dabei, dass die Schuldenbremse staatlichen Investitionen laut dem Professor überhaupt nicht im Weg stehe – im Gegensatz zu weit verbreiteten Ansichten, denen zufolge eine Kreditaufnahme beispielsweise dem Klimaschutz zugute kommen könnte.
"Spekulationen bis hin zur krudesten Polemik"
Das sagen etwa die Ökonomen Gustav Horn und Peter Bofinger, die, wie Feld es nennt, gegen die Schuldenbremse "trommeln". Wobei der Referent feststellt, dass "Befürworter, Gegnerschaft und ihre Argumente seit 20 Jahren ziemlich gleich geblieben" seien. Feld kann seinen altbekannten Standpunkt nun mit einem neuen Gutachten unterfüttern, bei dem er selbst federführend war. Wobei der Hinweis nicht ganz unwichtig erscheint, dass Feld auch einer der führenden Köpfe hinter dem Gegenstand der Untersuchung, also der Schuldenbremse, war. Ein schöpferischer Stolz ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn er das Instrument als "absolut zeitgemäß" und "nicht reformbedürftig" anpreist. Er habe sich jeden Vorschlag zu einer möglichen Überarbeitung im Detail angeschaut. "Es war aber keiner stichhaltig."
Den Handlungsbedarf hält Feld auch deswegen für gering, weil sein Gutachten ja festgestellt hat: "Die Schuldenbremse stellt einen Stabilitätsanker der Sozialen Marktwirtschaft dar." Allerdings benennt die Naumann-Stiftung auf ihrer Website eine große Herausforderung in Sachen Methodik: Das Kernproblem bestehe darin, dass harte empirische Evidenz "das tatsächliche Deutschland mit Schuldenbremse mit einem hypothetischen Deutschland ohne Schuldenbremse vergleichen" müsste, und letzteres "ist natürlich nicht beobachtbar, denn es existiert nicht". Da in der finanz- und wirtschaftspolitischen Realität die Möglichkeit zum kontrollierten Experiment fehle, stehe das Tor offen "für alle möglichen Spekulationen bis hin zur krudesten Polemik", warnt die Naumann-Stiftung.
Ein Deutschland im Eigenbau
Die Behelfslösung, zu der Feld und Co. greifen, besteht in der Konstruktion eines synthetischen Vergleichsdeutschlands, für das prozentuale Anteile anderer Nationen vermengt werden, bis einige soziodemografische Kenngrößen übereinstimmen. Das Eucken-Institut entschied sich für Variablen wie Schuldenquote, Gesundheitsausgaben oder Arbeitslosenquote und bastelte sich eine theoretische Bundesrepublik aus 36,5 Prozent Frankreich, 25,7 Prozent Schweiz, 17,3 Prozent Neuseeland, je einem guten halben Prozent Großbritannien, Japan und Korea sowie einem knappen halben Prozent Australien. Ergebnis: Ein Beleg, dass die Schuldenbremse staatliche Investitionen behindert, konnte nicht gefunden werden.
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