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Breuninger-Verkauf

Sprechpuppen im Breuningerland

Breuninger-Verkauf: Sprechpuppen im Breuningerland
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Das Management zeigt, wie man's nicht macht: Da wird seit Tagen in den Medien über einen wohl geplanten Verkauf der Stuttgarter Nobelkaufhauskette spekuliert und die Geschäftsführung sagt: nichts. Unschön für die 6.500 Beschäftigten und bezeichnend für den Umgang mit ihnen.

Sollte die Breuninger-Gruppe tatsächlich verkauft werden, wie zuerst die "Wirtschaftswoche" und das "Handelsblatt" in der vergangenen Woche berichteten, dann können sich die Haupteigentümerfamilien Meilicke und van Agtmael freuen. Vor 20 Jahren haben Willem G. van Agtmael und Wienand Meilicke, die beide unter dem alten Heinz Breuninger im Vorstand der Breuninger-Stiftung gesessen hatten, der Tochter Helga Breuninger die Stiftung abgekauft, um sie dann in eine GmbH umzuwandeln. Die beiden erwarben jeweils 40 Prozent der Breuninger-Anteile – zum Günstigpreis von 41,1 Millionen Euro. Heute soll das Stuttgarter Unternehmen vor allem durch seine Immobilien um die zwei Milliarden Euro wert sein.

Gewachsen ist das Modewarenhaus in der Zwischenzeit kräftig. Heute umfasst es in Deutschland und Luxemburg 13 Häuser, zudem wurde der Online-Handel mit dem Bau des Versandlagers in Sachsenheim kräftig ausgebaut. Im vergangenen März allerdings kündigte das Unternehmen an, das Breuningerhaus in Reutlingen Ende 2024 dichtzumachen. Vielleicht läuft es doch nicht mehr so rund in dem "Fashion- und Lifestyle-Unternehmen", wie Breuninger sich selbst gerne nennt.

Bekannt ist Breuninger nicht nur für seine zahlungskräftige Kundschaft, sondern auch dafür, dass es kein fairer Arbeitgeber ist (Kontext berichtete hier und hier).

Kein Tarifvertrag, niedrige Löhne, alles bestens

Die Löhne sind niedrig, es wird eher nach Nase bezahlt, einen Tarifvertrag gibt es nicht, und informiert werden die Beschäftigten eher wenig. So erfuhren die 6.500 Mitarbeiter:innen von Breuninger von den Verkaufsspekulationen aus den Medien. Offiziell reagiert die Geschäftsführung nicht auf die Spekulationen, und auch intern nimmt sie nicht klar Stellung. So wurden die Beschäftigten informiert, was sie zu Kund:innen sagen sollen, wenn die zum Beispiel fragen: Hat Breuninger ein Liquiditätsproblem? Vorgeschriebene Antwort: "Breuninger ist ein Fashion- und Lifestyle-Unternehmen mit über 140-jähriger Tradition und zählt zu den führenden Omnichannel-Department-Stores in Europa." Und: "Breuninger genießt mit seinem starken Finanzprofil großes Vertrauen bei allen Finanzierungspartnern." Sollte jemand fragen: "Die Presse schreibt, Breuninger wird verkauft. Stimmt das?", hat die Antwort unter anderem zu lauten: "Gerüchte und Spekulationen um unser Unternehmen gab und gibt es in unserer über 140-jährigen Firmengeschichte immer wieder. Unser heutiger Erfolg fußt auch darauf, dass wir diese Spekulationen nie kommentiert haben. So handhaben wir das auch heute."

Ausgabe 298 vom 14.12.2016

Eisbären im Breuninger-Land

Von Josef-Otto Freudenreich

Im Schaufenster funkeln die Weihnachtssterne, dahinter die gewetzten Messer. Seit der alte Breuninger tot ist, wird um Macht und viel Geld gestritten. Der frühere Vorstand Wolfgang Blumers zieht jetzt vor den Bundesgerichtshof. Er will aus dem Edelkaufhaus wieder eine Stiftung machen.

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Und sollten die Mitarbeiter:innen sich selbst fragen: "Muss ich jetzt Angst um meinen Job haben?", antwortet die Firma: "Dafür gibt es keinen Grund." Warum die Geschäftsleitung nicht einfach sagt: Wir verkaufen oder wir verkaufen nicht, das bleibt ihr Geheimnis – und ihre Mitarbeiter:innen haben sich gefälligst damit abzufinden, dass sie im Unklaren gelassen werden. Es reicht doch, für das "Fashion- und Lifestyle-Unternehmen" arbeiten zu dürfen.

Besser geht es auch, was die Information betrifft, Helga Breuninger nicht. Gegenüber dem SWR erklärte die einstige Erbin, sie sei in die Pläne der Geschäftsleitung nicht eingebunden und von den Verkaufsmeldungen überrascht, vertraue aber darauf, dass es eine "gute Lösung" gebe.

Bei der Gewerkschaft Verdi haben die ersten Beschäftigten bereits angefragt, was sie jetzt tun müssen, was passieren könnte. Das verstehe er, sagt Wolfgang Krüger, auf Landesebene bei Verdi für Handel zuständig. "Aber ich denke, da heißt es abwarten." Daraus spricht vor allem eins: Bei Verdi weiß niemand was, und Kontakte zu Breuninger-Beschäftigten sind eher rudimentär. Es gibt keine:n eingearbeitete:n Gewerkschaftssekretär:in, auch weil gerade im Verdi-Bereich Handel ständiger Personalwechsel Normalität ist. Das Interesse hält sich in Grenzen. Nicht gut für die Beschäftigten.

Kontext hat vor acht Jahren berichtet, wie die beiden Familien van Agtmael und Meilicke sich Breuninger angeeignet haben. Weil es einen erhellenden Blick auf die Firmenkultur wirft, empfehlen wir den Bericht hier noch einmal zur Lektüre – siehe Kasten. Denn an der Struktur hat sich nichts Wesentliches geändert.

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1 Kommentar verfügbar

  • Ebbe Kögel
    vor 2 Wochen
    Antworten
    Aufgrund der verharmlosenden Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten über die NS-Vergangenheit von Breuninger (gut - immerhin haben sie überhaupt was geschrieben), habe ich den untenstehenden Leserbrief an die StN geschickt. Ich nehme nicht an, dass sie ihn abdrucken.
    Ebbe Kögel, einstens…
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