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Insolvenzanträge und stillstehende Bauprojekte

Schicksalswochen für Gröner

Insolvenzanträge und stillstehende Bauprojekte: Schicksalswochen für Gröner
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Die Krise um den Immobilienunternehmer Christoph Gröner spitzt sich zu. Inzwischen stellten mehrere Gläubiger:innen Anträge auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen Firmen seines Konsortiums. Viele Bauprojekte stehen still. Ist die Abwärtsspirale noch zu stoppen?

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Vier Anträge auf vorläufige Insolvenz binnen einer Woche – in der Geschäftswelt ist das normalerweise ein Alarmsignal, mindestens. Nicht jedoch für Christoph Gröner. Der umtriebige Unternehmer gibt sich überrascht und verblüfft. Anfragen von Kontext lässt er über seinen Anwalt beantworten. Der schreibt: "Sämtliche der gestellten Insolvenzanträge müssen zurückgenommen werden und werden zurückgenommen, nachdem sich ausstehende Zahlungen entweder mit der jeweiligen Fremdantragstellung überschnitten haben oder aber zwischenzeitlich erfolgt sind." Tatsächlich hob das Amtsgericht Leipzig am Dienstag den Beschluss der vorläufigen Insolvenz der Gröner Group auf. Knapp eine Woche stand die zentrale Gesellschaft von Gröners Geschäftsimperium (siehe Kasten) unter der Aufsicht des vorläufigen Insolvenzverwalters. Nur mit dessen Zustimmung konnte Gröner über das Vermögen verfügen.

Christoph Gröner. Foto: Gabriel Habermann

Gröners Gruppen

Christoph Gröner (CG) ist Geschäftsführer mehrerer nach ihm benannter Unternehmen, die in verschiedenen nach ihm benannten Gruppen organisiert sind. Zur CG Group GmbH, vormals CG Innovation, gehören die GmbHs CG Bauentwicklung, CG Wohnentwicklung, CG Gewerbeentwicklung, CG Gewerbe Bestandsentwicklung und die CG Elementum, zu der wiederum die CG Construction, die CG Rohbau, CG Ausbau und die CG Gebäudetechnik gehören. Die CG Urban, CG Property Dev und CG Capital sind hingegen nicht Teil der CG Group, sondern der davon zu unterscheidenden Gröner Group. Beide Muttergesellschaften, also Gröner Group und CG Group, sind wiederum nicht zu verwechseln mit der ebenfalls von Gröner gegründeten CG Gruppe, die 2020 in der Consus Real Estate aufging.  (min)

Die aktuellen Anträge auf Insolvenz berufen sich auf offene Forderungen aus der Sozialversicherung. Eine Krankenkasse der AOK will so Forderungen von mehr als 200.000 Euro an nicht geleisteten Versicherungsbeiträgen sichern. Auf Anfrage sagte Gröners Anwalt, dass keine Beiträge ausstünden. Gröner selbst hatte zuvor öffentlich eingeräumt, dass er "sicher nicht immer pünktlich" zahle, aber sämtliche Rückstände beglichen würden. In den vergangenen Wochen stellten auch das Berliner Finanzamt und eine Handwerksfirma Anträge auf vorläufige Insolvenz von Gröner-Unternehmen. Einige der offenen Forderungen wurden seitdem erfüllt. Dennoch befinden sich aktuell vier Gröner-Firmen offiziell in der vorläufigen Insolvenz.

Neben öffentlichen Stellen, den Leipziger Stadtwerken und Sozialversicherungsträgern klagen auch Handwerker und andere Dienstleister über ausstehende Zahlungen von verschiedenen Unternehmen des Gröner-Konzerns. Kontext steht mit mehreren Gläubigern in Kontakt, die nach eigenen Angaben teilweise schon Anträge auf Zwangsvollstreckung stellten oder Titel auf Pfändung erstritten. Das Berliner Vollstreckungsgericht wollte sich aus rechtlichen Gründen nicht dazu äußern, wie viele Titel zwischenzeitlich gegen den Gröner-Konzern beantragt oder erwirkt wurden. Gröners Anwalt spricht von "unberechtigten oder jedenfalls strittigen Forderungen von Werkunternehmern."

Fehlende Krankenkassenbeiträge eskalieren schnell

Der Insolvenzantrag einer Krankenkasse gegen Gröners Firmengruppe deutet neue Dimensionen der Zahlungsprobleme an. Bevor eine Krankenkasse einen solchen Antrag stellt, versucht sie ihre Forderung in der Regel zunächst auf anderem Weg einzuziehen. Krankenkassen können Gerichtsvollzieher:innen, den Zoll und häufig Pfändungen des zugehörigen Bankkontos einsetzen, um sich die Beiträge zu beschaffen. Das bestätigt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. "Das übliche Verfahren besteht aus einer Mahnung nach Fälligkeit des Beitrages und nach einer sogenannten Schonfrist dann auch frühestens zehn Tage danach mit dem Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen", erklärt der Sprecher Jens Ofiera. Erst wenn die Vollstreckungsmaßnahmen "fruchtlos" blieben, also zum Beispiel das Konto nicht ausreichend gedeckt sei, könnten Krankenkassen einen Insolvenzantrag stellen. Dazu müssten sie einen "Beweis der Zahlungsunfähigkeit" vorlegen, sagt Ofiera.

Zudem gelten für Arbeitgeber bei Sozialabgaben besondere Sorgfaltspflichten. Wenn ein Unternehmen Versicherungsbeiträge für die Sozialversicherung nicht abführt, kann dies direkte strafrechtliche Konsequenzen haben. Für das "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt" drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die zuständige Staatsanwaltschaft Leipzig äußert sich auf Anfrage aus Gründen des Datenschutzes nicht dazu, ob sie deswegen Ermittlungen aufgenommen hat. Mit Hinweis auf eine mögliche Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht beantwortete die Staatsanwaltschaft auch nicht, ob sie beim Bekanntwerden von Vorwürfen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge üblicherweise von Amts wegen aktiv wird. Allerdings handelt es sich bei der Vorenthaltung von Arbeitsentgelt um ein Offizialdelikt, bei dem eine Staatsanwaltschaft automatisch tätig werden muss, sobald ein begründeter Verdacht vorliegt. Gröners Anwalt sagt dazu: "Es liegt keinerlei strafrechtlich relevantes Verhalten unserer Mandantin vor, sodass weder Ermittlungen noch sonstige strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten sind."

Stillstand in Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart

Derweil stehen viele Baustellen des Gröner-Konzerns still. In der Stuttgarter Rommelstraße wollte der Konzern in einer denkmalgeschützten Villa 1.000 Quadratmeter Wohnraum mit einem "unverbaubaren Blick über das Neckartal" schaffen. Die Fertigstellung war eigentlich für 2023 geplant. Das geplante Projektvolumen damals belief sich auf über zehn Millionen Euro. Doch passiert ist dort schon seit Jahren nichts. Dies liege an der fehlenden Baugenehmigung seitens der Stadt, sagt Gröners Anwalt. Es bestehe Uneinigkeit wegen der Lärmemissionen des benachbarten Skateparks.

In der Mannheimer Dudenstraße gibt es zwar eine Baustelle. Allerdings stehen die Arbeiten augenscheinlich wieder still. "Ohne die längst fällige Abschlagszahlung bauen wir nicht weiter", sagt Oliver Kett, dessen Handwerksunternehmen in dem Gebäude seit Februar mit dem Einbau von Trennwänden beauftragt war. Trotz mehrerer Rechnungen und Mahnungen habe er vom Gröner-Konzern keine Zahlung für die ersten Arbeiten erhalten. Auftraggeber war mit der CG Ausbau eine der von der vorläufigen Insolvenz betroffenen Gröner-Töchter. Die Kommunikation sei aber immer mit der CG Elementum gelaufen, sagt Kett. Es gehe "gerade mal um einen fünfstelligen Betrag". Kett will sich das Geld jetzt auf juristischem Weg holen. Gröners Anwalt wollte sich zu dem Fall nicht konkret äußern, das Projekt in der Dudenstraße sei aber "durchfinanziert".

Die meisten Bauprojekte in Baden-Württemberg hat Gröner in Karlsruhe. Auf dem C-Areal in der Nordstadt sollten eigentlich 1.000 neue Wohnungen entstehen. Auf dem Gelände sind in den vergangenen Monaten jedoch einzig die Schilder und Transparente verschwunden, die für die CG Elementum warben und den Bau ankündigten. Bis auf einen einsamen Bagger am Rand hat sich sonst die Natur das Bauland zurückgeholt. Gar nicht erst begonnen wurden die angekündigten Sanierungen von Gewerbegebäuden in den Stadtteilen Mühlburg oder Grünwinkel. Die Grundbücher für den Wohnungsbau seien angelegt worden und das Baugenehmigungsverfahren laufe, sagt, auf den Baufortschritt angesprochen, Gröners Anwalt.

Einstiger Partner zieht sich zurück

Ein langjähriger Partner von Gröner in Karlsruhe hat sich derweil aus dem Konzern verabschiedet. Durch die Mehrheitsbeteiligung an Martin Müllers GEM Ingenieurgesellschaft hat sich Gröner 2018 den Zugriff auf fast ein Dutzend Karlsruher Immobilien und Grundstücke gesichert. Bis zum Sommer war Müller auch Finanzvorstand der CG Elementum, die im Gröner-Konsortium für den Bau und die Entwicklung der Immobilienprojekte zuständig ist. Er sei kürzlich 60 Jahre alt geworden, und nach sechs Jahren habe er seinen Vertrag auslaufen lassen, sagt Müller. Er wolle sich auf seine eigene Projektentwicklungsgesellschaft konzentrieren, die er mit seinen Söhnen statt mit Gröner führt. Müller ist bis heute mit etwas mehr als zehn Prozent an den Karlsruher Bauprojekten beteiligt. "Im operativen Geschäft bin ich nicht eingebunden", sagt er. "Wenn noch ein Gewinn kommt, freuen wir uns, aber ich glaube nicht, dass da in den nächsten Monaten was kommt." Aber das sei ja zur Zeit auch normal in der Baubranche.

"Das sieht natürlich nicht gut aus", sagt Müller zu den vorläufigen Insolvenzen der Gröner-Unternehmen. Die Zeiten seien für alle Immobilienentwickler schwierig, "der Großteil der deutschen Banken hat sich aus Projektgeschäft zurückgezogen". Zur finanziellen Lage der CG Elementum bei seinem Abschied sagt Müller nur: "Es sah nicht so gut aus, aber auch nicht besorgniserregend." Aktuelle Zahlen veröffentlichte die CG Elementum nicht. Der letzte, öffentlich zugängliche Jahresabschluss stammt aus dem Jahr 2021.

Frisches Geld wird schwieriger und teurer

Etwas frischere Zahlen gibt es von der  Gröner Group. Demnach lagen Ende 2022 Verbindlichkeiten in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro vor, die zum Großteil binnen eines Jahres fällig waren. Dazu bürgte die Gröner Group mit 430 Millionen Euro für ihre Tochtergesellschaften. Aktuellere Zahlen liegen auch hier nicht vor. Aber die Einschätzungen der Wirtschaftsauskunftdienstleister sind alarmierend. "Das Ausfallrisiko wird als sehr hoch eingeschätzt. Von der Geschäftsverbindung wird abgeraten", lautet die Empfehlung einer großen Auskunftei bei vielen Gröner-Unternehmen.

Das "Handelsblatt" berichtete diesen April über "einen Berg von Schulden", den die Gröner Group vor sich herschiebe. Auch Gröner selbst kommt dabei zu Wort – und deutet an, dass nicht alles rund läuft: "Zuletzt habe ich zum Wohle meines Unternehmens mehrere Villen in Südfrankreich und einige Porsche aus meiner Sammlung verkauft."

In der aktuellen Situation an frisches Geld zu kommen, wird für Gröner zunehmend schwierig. Zumal alleine die Karlsruher Grundstücke schon mit Grundschulden von fast 200 Millionen Euro belastet sind. Der Großteil davon liegt bei der Sparkasse Karlsruhe, die sich zuletzt auf Anfrage dazu nicht genauer äußern wollte. "Aufgrund einer Vielzahl in den letzten Wochen getätigter Maßnahmen ist von einer zeitnahen nachhaltigen Stabilisierung der Unternehmenssituation auszugehen", sagt Gröners Anwalt. Man baue auf "verlässliche Partnerschaften" mit Banken und Investoren.

Sollte Gröner tatsächlich in die Insolvenz rutschen, hätte das nicht nur Folgen für den dringend notwendigen Bau von Wohnungen, sondern insbesondere in Karlsruhe auch für die gesamte Stadtentwicklung. Fragen dazu wollte die Stadtverwaltung nicht beantworten. Einzig: "Die Stadt Karlsruhe hat aus der Zeitung erfahren, dass sich die Handwerksfirmen der Gröner Group im vorläufigen Insolvenzverfahren befinden." Der Sachverhalt werde aktuell geprüft. Die Stadt Karlsruhe gehört über eine städtische Tochter ebenfalls zu den Gläubiger:innen Gröners. Trotz Ablauf der Frist ließ die Stadtverwaltung auch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu Treffen und der Zusammenarbeit zwischen Gröner und Vertreter:innen der Stadtspitze bislang unbeantwortet.

Wie wird es weitergehen, gelingt Gröner noch einmal die Wende? "Ich glaube, Gröner schafft das. Es ist aber nur ein Gefühl. Genauere Einblicke habe ich nicht", sagt der ehemalige Geschäftspartner Müller. Das würde auch Gröners Gläubiger Oliver Kett gefallen, der auf sein Geld wartet. "Solange Gröner noch vor sich hin krebst, habe ich noch Resthoffnung", sagt Kett.

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