Petra Rühle, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Rathaus, hat "solche Verhältnisse nicht erwartet. Auch weil die Arbeitsmarktsituation eigentlich nicht danach ist. Gute Kräfte werden doch gesucht," sagt sie. Fordert sie die schlecht bezahlten Breuninger-Beschäftigten auf, sich etwas Neues zu suchen? "Natürlich nicht. Das ist nicht meine Aufgabe." Immerhin gebe es einen Betriebsrat, das sei nicht überall so. Kundin ist Rühle nicht, sie läuft nur durch die Passage, "als Abkürzung". Doch ob Käuferin oder nicht, als Stuttgarterin und Stadträtin findet sie, dass schlechte Arbeitsbedingungen sich für solch ein Traditionsunternehmen nicht gehören. "Das hat auch eine schlechte Außenwirkung." Mit dem Betriebsrat möchte sie nun Kontakt aufnehmen, mit der Geschäftsleitung ebenso. "Wir haben ja immer mal wieder mit Breuninger zu tun", sagt sie.
Gespräch mit Breuninger? Warum nicht, findet ihr Ratskollege Martin Körner, SPD-Fraktionschef. Allerdings mit Druck. "Die soziale Kompetenz in der Verwaltung ist unterbelichtet, das zeigt dieses Beispiel mal wieder. Die Stadt sollte die mit ihr verbundenen Unternehmen auf Tarifbindung ansprechen. Das gehört zu einer sozialen Stadt dazu." Kontext hat auch die Gemeinderatsfraktionen von CDU, FDP und Freien Wählern gefragt, was sie zu den Arbeitsbedingungen bei Breuninger im Herzen der Stadt sagen. Keine Antwort.
Unwissenheit gepaart mit Desinteresse
Jahrelang haben Gemeinderat und Verwaltung sich mit Breuninger und dem Dorotheen-Quartier beschäftigt. Zur Erinnerung: 2009 ploppte das Thema auf, Breuninger wollte groß bauen, dafür das Hotel Silber abreißen, es gab massive Proteste. Schließlich blieb das Hotel Silber, die Fassade wurde geändert, die Stadt verkaufte Fläche, das Land verkaufte Fläche und mietete sich dann mit Verkehrsministerium, Sozialministerium und Teilen des Finanzministeriums dort ein. Diejenigen, die den Komplex ermöglicht hatten – Breuninger, das Land, die Stadt, Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger, der 2007 als Ministerpräsident der erste Ansprechpartner für Breuninger gewesen war –, feierten im September 2017 die Eröffnung und lobten erwartungsgemäß alles über den grünen Klee. Das Viertel "harmoniert mit seiner Umgebung" (Fritz Kuhn), es sei "ein weiterer Schritt hin zu einer menschengerechten Stadt" (Winfried Kretschmann) und ähnliches mehr.
10 Kommentare verfügbar
Anonym2
am 07.06.2022Das macht es umso verwunderlicher, dass…