Josef Schmidt, ein Mittfünfziger in grauen Jogginghosen, weißem T-Shirt und schwarzen Pantoffeln freut sich über Pressebesuch. Vieles hat er zu erzählen – größtenteils negatives. Zwei Jahrzehnte lang lebt er nun hier in seiner Wohnung, seit seinem Einzug habe sich aber einiges verändert. "Damals habe ich 500 Euro Miete bezahlt", erinnert er sich. Heute berechnet ihm der Immobilienriese Vonovia monatlich 806 Euro für die 53 Quadratmeter in der Friedhofstraße 11: ein schlichtes Hochhaus mit vielen Balkonen, 15 Stockwerken und einer abwechselnd grau-beige und rostbraun gestrichenen Fassade, nur einen Steinwurf von dem Gleisfeld entfernt, über das Züge in den Stuttgarter Hauptbahnhof donnern. Mit der Wohnung an sich, sagt Schmidt, hat er keine Probleme. Allerdings ist bei ihm inzwischen der Eindruck entstanden, auf einer permanenten Baustelle zu leben. Den Boden in seinen vier Wänden hat er vor langer Zeit selbst verlegt. "Die Vonovia macht bei Renovierungen nur das, woran sie Geld verdienen kann", meint er – also meistens gar nichts. "Normalerweise wird erst renoviert, sobald jemand auszieht, sodass vom Nachmieter dann eine höhere Miete verlangt werden kann."
Ein ganz anderes Paar Schuhe sind hingegen Modernisierungen, deren Kosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Denn die würden laut Schmidt auch dann erfolgen, wenn sie gar niemand will oder braucht. "Das müssen wir dann einfach dulden." Er hat das am eigenen Leib erfahren: Zwischen 2018 und 2020 wurde das Gebäude in der Friedhofstraße energetisch modernisiert. Seitdem zahlt Schmidt mehr Kaltmiete – und höhere Nebenkosten. Wie er berichtet, wird das Hochhaus zusammen mit zwei weiteren Vonovia-Wohnhäusern in der Mönchstraße mit Fernwärme beheizt. Eine getrennte Abrechnung erfolgt nicht, obwohl die Gebäude in der Mönchstraße noch auf eine energetische Modernisierung warten. Schmidt findet das ungerecht, prüft mit anderen Mieter:innen, wie eine Klage erfolgreich ablaufen könnte – und ärgert sich: "Die Vonovia hat die Heizkostenvorauszahlung in der Friedhofstraße 11 von 39 Euro im März 2022 auf 97 Euro im Juni 2023 erhöht. Das ist eine Steigerung von 249 Prozent in einem Jahr. Wie kann es sein, dass ein energetisch modernisiertes Haus so viel mehr für die Heizung zahlen muss als vorher?"
Aus der Staatshand zum Immobilienriesen
Was für Mieter:innen eine zunehmende Belastung darstellt, ist für die Vonovia eine sprudelnde Geldquelle: Mehr als eine Million Menschen wohnen in den Häusern des größten deutschen Immobilienunternehmens, das seit seiner Gründung 2001 einen rasanten Aufstieg hingelegt hat und inzwischen neben Global Playern wie Daimler und Allianz im DAX gelistet ist. Ein elementarer Bestandteil der Erfolgsstrategie ist dabei der Aufkauf großer Wohnungsbestände. So auch im Gründungsjahr: Damals erwarb die Vonovia – zu dieser Zeit noch unter dem Namen Deutsche Annington – elf der achtzehn Eisenbahnerwohnungsbaugesellschaften, die im Zuge der Bahnreform privatisiert wurden, und sicherte sich so insgesamt 65.000 Wohnungen zu günstigen Konditionen.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!