Am Ende sind immer die Armen am Arsch. Diese Faustregel, mit der sich politische Prozesse rückblickend bewerten und bislang auch treffsicher prognostizieren lassen, fand jüngst ein überaus anschauliches Beispiel am tragischen Werdegang des Berliner Mietendeckels. Die Idee klang so schlecht nicht: Explodierenden Preisen für eine Bleibe in der Hauptstadt sollte ein strenger Riegel vorgeschoben werden – was erstmal funktionierte und sich eine kurze Zeit sehr positiv für viele Menschen bemerkbar machte. Dann schritt das Bundesverfassungsgericht ein und stellte fest, dass es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn das Land Berlin derart ins Wohnen eingreift, weil das Angelegenheit des Bundes sei. Dieser habe "die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum" bereits mit der [nutzlosen, d. Red.] Mietpreisbremse "abschließend geregelt".
Was die Aktienkurse börsennotierter Immobilienkonzerne in die Höhe schnellen lässt, kommt für viele MieterInnen einer Katastrophe gleich. Den Betroffenen stehen jetzt richtige Scheißzeiten bevor, weil ihnen mitten in einer eskalierenden Wirtschaftskrise Mietrückzahlungen für die vergangenen 14 Monate abgenötigt werden dürfen und sich, auch angesichts der Pandemie, nicht alle Begünstigten leisten konnten, die Ersparnisse durch den Deckel auf die Seite zu legen. Der Berliner Senat stellt nun einen Fonds für Zahlungsunfähige in Aussicht, der laut dpa "eine zweistellige Millionensumme umfassen könnte". Bei 1,5 Millionen Wohnungen, die der Mietendeckel vergünstigte, und der höchsten zweistelligen Millionensumme, die sich mit bekannten Zahlen konstruieren lässt, wären das also bestenfalls 66 Euro pro Wohnung. Wie groß das Aufatmen der Betroffenen wohl ausfallen wird?
Da drängt die Frage, wer's verbockt hat. Teils wird die Verantwortung beim Bundesverfassungsgericht verortet. Das aber ist nur seiner vorgesehen Funktion als Kontrollinstanz nachgekommen und hat eine Landesregierung, die ihre Kompetenzen überschritten hat, in die Schranken gewiesen. Ob der Bund mit der Mietpreisbremse eine funktionierende und effektive Regelung gefunden hat, um die Preisexplosion am Wohnungsmarkt einzudämmen, wurde in Karlsruhe nicht qualitativ bewertet – entscheidend ist die Frage, ob er sich als Gesetzgeber an einer Regelung versucht hat oder nicht. Und ob der Bund die Mieten in der ganzen Republik deckeln dürfte, lässt das Urteil offen.
Nächster Versuch: Enteignung
Verbockt hat es also ziemlich offensichtlich der Berliner Senat, der mit seinem verfassungswidrigen Vorgehen viele Menschen in die Bredouille gebracht hat. Allerdings muss man der Landesregierung zugute halten, dass die Rahmenbedingungen am Wohnungsmarkt sehr schlecht sind und ein Handlungsbedarf unstrittig besteht. Und auch wenn das Vorhaben, eine Mietregelung im Interesse der Mehrheitsbevölkerung zu erlassen, aufgrund fehlender Kompetenz krachend gescheitert ist, haben die sinkenden Mieten in der kurzen Zeitspanne, in der der Deckel wirksam war, zumindest eines verdeutlicht: Prinzipiell ist eine Gesetzgebung vorstellbar, von der auch mal Menschen ohne Dividendenbezug profitieren. In einer Demokratie könnte das noch relevant werden, denn nicht nur wohnt hier ein Großteil zur Miete, sondern auch die Aktien- und Immobilieneigner sind eindeutig in der Minderheit – beste Voraussetzungen also, die Verhältnisse umzustupsen und neu zu strukturieren.
15 Kommentare verfügbar
D. Hartmann
am 27.04.2021Den 'echten' sozialen Wohnungsbau gibt es schon fast 35 Jahre nicht mehr. Die Regierung Kohl hatte Ende der 80er Jahre die Gemeinnützigkeit für den Wohnungsbau abgeschafft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialer_Wohnungsbau
https://www.bpb.de/politik/innenpolit…