Warum nicht auch in den Tunneln der NBS? Die Deutsche Bahn antwortet auf Fragen zur Brandsicherheit, dass die Tunnel der Neubaustrecke "alle strengen Sicherheitsanforderungen erfüllen". Das EBA habe als zuständige Behörde das Flucht- und Rettungskonzept geprüft und genehmigt. "Die Deutsche Bahn plant und arbeitet auf Basis der anerkannten Regeln der Technik, hierzu zählen gesetzliche europäische und nationale Grundlagen sowie sämtliche Regelwerke und Vorgaben der Behörden", betont ein Bahnsprecher. "Auf Grundlage dieser hohen Sicherheitsstandards betreiben wir im deutschen Schienennetz Tunnel mit einer Gesamtlänge von rund 600 Kilometern."
Erschwerte Bedingungen für Feuerwehr
Bei der Neubaustrecke gibt es aber einige Besonderheiten, die zusätzliche sicherheitsrelevante Fragen aufwerfen. "Die Neubaustrecke führt über eine 15 Kilometer lange Tunnel-Brücken-Kette, die für die Rettungskräfte nur von den Enden her zugänglich ist, und das nach langer Anfahrt", sagt Christoph Engelhardt. Er meint das Herzstück des Albaufstiegs, das aus dem 8,8 Kilometer langen Boßlertunnel und dem 4,8 Kilometer langen Steinbühltunnel besteht, zwischen denen zwei 485 Meter lange und 85 Meter hohe Eisenbahnbrücken das Filstal überqueren.
Hinzu kommt, dass im Notfall Freiwillige Feuerwehren aus den Anrainergemeinden ausrücken. Deren Mitglieder müssen erst von Arbeitsplatz oder Wohnung aus zur Feuerwache eilen, bevor es zum Einsatzort geht. Auch das kostet wertvolle Zeit. In der Landeshauptstadt, wo Ende 2025 der tiefergelegte Stuttgart-21-Hauptbahnhof mit rund 60 Kilometer langen unterirdischen Zulaufstrecken in Betrieb gehen soll, ist dagegen die Berufsfeuerwehr zuständig. Ein weiterer Unterschied: In den Tunneln der NBS ist eine trockene Löschwasserleitung verlegt. Nach Eintreffen der Feuerwehr muss diese erst befüllt werden, was rund zehn Minuten pro Kilometer Rohrlänge dauern kann. Bei S 21 plante die Bahn nach heftiger Kritik um: In dem acht Kilometer langen Fildertunnel zwischen neuem Hauptbahnhof und Flughafenbahnhof ist eine nasse, also gefüllte Leitung vorgesehen.
In den vergangenen Wochen probten Rettungsdienste entlang der Neubaustrecke den Ernstfall. Bei den Übungen in verschiedenen Tunneln, die mehrere Monate vorbereitet wurden, waren kritische Beobachter offenbar unerwünscht. So "vergaß" das Landratsamt Esslingen, Medienvertreter zum Einsatz im knapp 8,2 Kilometer langen Albvorlandtunnel einzuladen. Die Redakteurin der "Wendlinger Zeitung" konnte das Geschehen nur als Zaungast vom Tunnelportal aus verfolgen. Nach ihrer Aussage war Rettungskräften untersagt, mit der Presse zu sprechen. "Wir haben die Übungsaufgabe gut gemeistert", wird Esslingens Kreisbrandmeister Guido Kenner erst Tage später in einer amtlichen Presseaussendung zitiert.
"Rechtzeitige Evakuierung bei Vollbrand unmöglich"
Wie realistisch die Übungen waren, bleibt fraglich, auch weil nur 30 Statisten evakuiert werden mussten. Ein ICE 3neo, der die Neubaustrecke in zwei gekoppelten Einheiten (Doppeltraktion) befährt, hat 878 Sitzplätze. Die ab 2025 zum Einsatz kommenden Regionalexpresszüge zählen in Dreifachtraktion 1.140 Sitz- sowie 1.617 Stehplätze. Christoph Engelhardt rechnete mit Hilfe üblicher Parameter nach, wie schnell sich Regionalzüge mit 2.000 bis 3.000 Insassen in den Tunneln der NBS und von S 21 evakuieren lassen. Als Ergebnis erhielt er die doppelte bis fünffache "Evakuierungszielzeit" der Deutschen Bahn von 15 Minuten. Engelhardt: "Bei einem Vollbrand ist die rechtzeitige Evakuierung unmöglich, die Tunnel werden zur Todesfalle."
"Letztendlich ist eine 100-prozentige Sicherheit niemals zu erreichen. Es muss daher festgelegt werden, wie groß das zu akzeptierende Restrisiko tatsächlich ist", heißt es in einem internen Dokument der Deutschen Bahn zur Tunnelsicherheit.
Zu Redaktionsschluss (Dienstag, 6. Dezember) stand die Genehmigung der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke über die Schwäbische Alb durch das EBA noch aus. Die Deutsche Bahn gab sich zuversichtlich: "Wie bei allen Inbetriebnahmen ist die Genehmigung erst kurz vor der kommerziellen Betriebsaufnahme zu erwarten", so ihr Sprecher auf Kontext-Anfrage.
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Andrea K.
am 11.12.2022