Damit gibt der Bundestag grünes Licht dafür, dass die Gesamtschuld des Konzerns sich in einem Zeitraum von nur eineinhalb Jahren (zwischen Mai 2020 und 31. Dezember 2021) um zehn Milliarden Euro oder um 40 Prozent erhöhen kann. Das sind rekordverdächtige Niveaus. Zumal dann, wenn man sie mit der Vorgängerbahn vergleicht. Am letzten Tag der Existenz der Deutschen Bundesbahn, am 31. Dezember 1993, hatte diese Staatsbahn einen Schuldenberg in Höhe von umgerechnet 29,76 Milliarden Euro. Dieser wurde angehäuft in 44 Jahren. Die Deutsche Bahn AG hat Ende 2020 einen Schuldenberg in Höhe von 32 Milliarden – angehäuft in nur 26 Jahren. Ende 1993 – am Vorabend der Bahnreform – galt die hohe Verschuldung der Bundesbahn zu Recht als Hemmschuh für jede weitere positive Entwicklung. Deshalb startete der neue Bahnkonzern Deutsche Bahn AG im Januar 1994 schuldenfrei. Alle Beteiligten gingen damals davon aus, dass die Bahn die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und mit keiner größeren Schuld belastet werden würde. Eine schwere Fehleinschätzung.
Vom Bund geförderter Schuldenexzess
Der aktuelle Schuldenexzess wird von der Bundesregierung und dem Bundesverkehrsminister durch eine spezifische Art der Unterstützung geradezu angefüttert: Das Eigenkapital der Bahn wird im Zeitraum 2019 bis 2030 um mehr als 15 Milliarden Euro durch Zuschüsse des Bundes erhöht. Dafür gab es bereits 2019 den Beschluss, im Rahmen eines sogenannten "Klimapakets" ein Jahrzehnt lang durch Finanzhilfen des Bundes das DB-AG-Eigenkapital um jährlich eine Milliarde Euro zu erhöhen. 2020 gab es, unter Verweis auf Corona, darüber hinaus noch eine Extra-Finanzspritze in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, ebenfalls zur Eigenkapitalerhöhung. Da sich die Schuldenquote als Anteil der Schulden am Eigenkapital bemisst, wird auf diese Weise dem Bahnkonzern systematisch Raum für eine immer größere Verschuldung geschaffen.
Das ändert jedoch nichts daran, dass mit dem Wachstum der Schuldensumme der jährlich zu entrichtende Schuldendienst – die Zahlungen für Zins und Tilgung – ansteigen. Trotz eines historisch niedrigen Zinsniveaus übersteigen im auslaufenden Jahr 2020 die Zins- und Tilgungszahlungen, die von der DB zu entrichten sind, den Betrag von einer Milliarde Euro. Das freut die Banken. Und schadet den Fahrgästen und Beschäftigten, die diesen Schuldendienst aus den laufenden Einnahmen oder in Form von Sparprogrammen, von ausbleibenden Reallohnerhöhungen und von unzumutbaren Arbeitsbedingungen finanzieren müssen.
Und dieser Schuldendienst wird 2021 weiter steigen. Zumal sich mit der wachsenden Verschuldung das Rating der DB AG verschlechtert. Im Juni und im Oktober 2020 hieß es bei der Ratingagentur Moody's, es gebe einen "negativen Ausblick hinsichtlich des Ratings der DB". Die Agentur begründete dies unter anderem mit dem DB-Rekordverlust in Höhe von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 und damit, dass der Konzernumsatz "frühestens 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen" würde.
Moody's verweist dabei auch kritisch auf eine Überprüfung der staatlichen Hilfen durch die EU-Kommission. Tatsächlich kann die fortgesetzte und massive Eigenkapitalerhöhung in Brüssel als "Wettbewerbsverzerrung" angesehen und nachträglich untersagt werden. Zumal das Netzwerk Europäische Eisenbahnen (NEE), der Zusammenschluss der privaten Güterverkehrsunternehmen, bereits in diesem Sinne aktiv wurde. Der Verband erklärte, eine Klage auf EU-Ebene einreichen zu wollen. Auch der Betreiber von Flixbus, Flixmobility, hat im Dezember bei der EU eine Beschwerde gegen die Deutsche Bahn eingereicht, die sich gegen die geplante Eigenkapitalaufstockung richtet. Sollte die EU diese Sonderzahlungen untersagen, gerät der Bahnkonzern in eine existenzielle Krise.
Krisen-Ursache: Auslandsgeschäfte
Und woher kommen Rekorddefizit und Schuldenberg? Sicher, ein Teil ist Resultat von Krise und Corona-Pandemie. Doch ein großer Teil des Defizits entsteht durch zwei Faktoren, für die das Bahnmanagement und das Bundesverkehrsministerium die Verantwortung tragen: Die Auslandsengagements und das Großprojekt Stuttgart 21.
Seit dem Antritt von Mehdorn als Konzernchef investiert die Deutsche Bahn systematisch im Ausland. Das Ziel ist der Aufbau eines Global Players im Logistik-Bereich. Seit knapp einem Jahrzehnt entfällt die Hälfte des Umsatzes der DB auf Auslandsgeschäfte (und auch die Hälfte auf Geschäfte "jenseits" des Bereichs Schiene und Bahn).
1 Kommentar verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 24.12.2020Sie behaupten „Deutsche Bahn steuert in ein Super-Krisenjahr.“
Bitte, wenn Sie sich selbst gegenüber so freundlich sein wollten zu beachten:
Eine juristische Person, hier DB AG, kann nicht in _irgendeine_ Krise steuern, das können alleine natürliche Personen bewirken, die…