Doch während Einfamilienghettos an Ortsrändern aus dem Boden sprießen, veröden immer mehr Dorfzentren und ältere Wohnquartiere. "Fünf Prozent aller Wohngebäude stehen leer", nennt Stefan Flaig das Ergebnis von Erhebungen im Kreis Böblingen. Demnach betrifft der Leerstand vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser, die in den 1980er-Jahren oder früher von jungen Familien erstbezogen wurden. "Die Kinder sind längst ausgezogen, und wenn die Eltern sterben, ist der Leerstand programmiert", erläutert der Fachberater von der Stuttgarter Ökonsult-Agentur. Mittlerweile sei in zehn Prozent der Wohngebäude der jüngste Bewohner älter als 70 Jahre, was die Leerstandsquote in naher Zukunft weiter nach oben treibe, sagt Flaig einen gewaltigen Umbruch auf dem Immobilienmarkt voraus. "Der Peak wird erreicht sein, wenn die Babyboomer wegsterben", erwartet er, und dass das Wohnungsangebot die Nachfrage bald deutlich übersteigt. Die Preise für Einfamilienhäuser würden dann massiv einbrechen.
Viele leerstehende Wohnungen kommen allerdings gar nicht auf den Markt - aus verschiedenen Gründen. "Häufig sind ältere Einfamilienhäuser zu klein und haben veraltete Heizungs- und Dämmsysteme", nennt Flaig hohe Sanierungskosten als Hindernis. Zudem hätten die Erben oft zu hohe Preisvorstellungen. Anderseits hielten die derzeit niedrigen Zinsen Besitzer ab, ihre Immobilien zu verkaufen. "Der Glaube ans Betongold ist größer", sagt der Experte.
Es droht das Ende des schwäbischen Traums
Auch eine im Juli erschienene Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Schluss, dass bereits in vielen, allerdings strukturschwachen, Landkreisen und Städten zu viel gebaut wird. Während in den Ballungszentren ein regelrechter Kampf um Wohnraum tobe, wurde in 69 der 401 kreisfreien Städte und Landkreise in den vergangenen zwei Jahren über 50 Prozent mehr Wohnungen gebaut, als tatsächlich benötigt werden, so die Studie. Umgekehrt seien zwischen 2016 bis 2018 in den sieben größten Städten gerade einmal 71 Prozent der benötigten Wohnungen fertiggestellt worden. Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main erreichten Quoten von über 78 Prozent, Stuttgart und München kommen dagegen nur auf 56 und 67 Prozent. Um den Bedarf zu decken, müssten bundesweit bis 2020 rund 341.700 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, davon 62.800 in den sieben größten Städten, so das Fazit der IW-Studie.
"Den Schlachtruf 'Bauen, bauen, bauen!' kann ich nicht mehr hören", sagt dagegen Fachberater Stefan Flaig. "Statt immer nur auf Einwohnerzahlen zu schielen, müssen Bürgermeister und Gemeinderäte Belegungsdichte und Bedarfszielgruppen im Auge behalten." Dann werde klar, wie groß welcher Wohnungsbedarf tatsächlich sei.
"Einfamilienhäuser lösen unser Wohnungsproblem nicht", sagt Flaig. Weil es wegen der Überalterung unserer Gesellschaft immer weniger gut verdienende junge Familien gebe. "Wir brauchen preiswerte Mietwohnungen für sozial Schwächere, mit guter ÖPNV-Anbindung und über das Gemeindegebiet verteilt für eine gute Durchmischung", rät der Experte. Zudem wachse rasant der Bedarf an Seniorenwohnungen mit fußläufigen Versorgungseinrichtungen in den Ortslagen.
"Die Zeit neuer Einfamilienhäuser mit Doppelgarage ist definitiv vorbei", sagt auch BUND-Mann Gerhard Pfeifer. Im Land der Häuslebauer sei dieser Wohntraum ökologisch wie ökonomisch zwangsläufig ein Auslaufmodell.
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Krauss Gerhard
am 11.08.2019