Der Stein des verfassungsgerichtlichen Anstosses ist dabei die Grundsteuer B: Sie bemisst sich nach einem von der Steuerverwaltung festgelegten Einheitswert, multipliziert mit einer Steuermesszahl nach Art der Bebauung und dem von den Gemeinden festgelegten Hebesatz. In den westlichen Bundesländern basieren die Einheitswerte auf Erhebungen aus dem Jahr 1964. Sie hätten eigentlich alle sechs Jahre aktualisiert werden sollten, worauf dann allerdings verzichtet wurde. Eben deshalb sind sie nun wohl nicht mehr verfassungskonform.
"Es gab einen Aufruf an alle Bürgermeister", erzählt Trost, der sich gemeinsam mit dem gesamten Marbacher Gemeinderat der Initiative <link http: www.grundsteuerreform.net _blank external-link-new-window>"Grundsteuer: Zeitgemäß!" angeschlossen hat, "ebenso Stimmen aus dem Gemeinderat, die darauf gedrängt haben." Die Initiative setzt sich für eine reine Bodenwertsteuer ein, die nur den Grundbesitz besteuert, während die bisherige Grundsteuer auch die Bebauung der Grundstücke belastet.
Komplizierte Verfahren zur Wertermittlung würden entfallen
Ein Argument für die reine Bodenwertsteuer ist für Trost, dass sie wesentlich einfacher zu handhaben wäre. Die Bodenrichtwerte müssen nicht eigens ermittelt werden, sie werden ohnehin alle zwei Jahre von Gutachterausschüssen neu festgelegt, auf der Grundlage der Grundstücksverkäufe der letzten zwölf Monate. Multipliziert mit dem Hebesatz, ergibt sich die Steuer. Ein kompliziertes Verfahren zur Bewertung der Gebäude würde entfallen.
Trost kennt das Problem: ein Bau ist generalsaniert, bei einem anderen wurde nur das Dachgeschoss ausgebaut. Wer soll auf welche Weise jeweils den Wert ermitteln? Zu akzeptablen Lösungen zu gelangen, würde einen hohen Personal – und Zeitaufwand erfordern. Und die Zeit ist knapp: Lehnt das Verfassungsgericht, wie zu erwarten, die bestehende Grundsteuer ab, haben die Gesetzgeber voraussichtlich zwei bis drei Jahre Zeit. Ist dann keine Lösung gefunden, wird die Grundsteuer ausgesetzt – schön für den Steuerzahler, weniger für die Finanzlage der Kommunen, die dann ihren Aufgaben mangels Einnahmen nur noch in beschränktem Umfang nachkommen können.
Das ist aber noch nicht alles. Marbach, vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus in einer knappen halben Stunde mit der S-Bahn erreichbar, würde gerne zur Lösung des Wohnproblems beitragen. Überall fehlt es an bezahlbaren Wohnungen, sogar für Menschen mit mittlerem Einkommen. An der Affalterbacher Straße am südlichen Ortsrand hat die Kommune ein zwölf Hektar großes Baugebiet ausgeschrieben, explizit um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Sogar einen Architektenwettbewerb hat es bereits gegeben.
Doch wie Trost sagt: "Als Stadt steht Marbach einer hohen Nachfrage nach Grundstücken gegenüber." Die Grundstückspreise klettern mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Höhe, die Stadt kann nicht mehr mithalten. Auch private Investoren legen ihre Ausgaben auf die Miete um. Das Projekt des bezahlbaren Wohnraums droht zu kippen. Ein Gemeinderat hat bereits vorgeschlagen, den Grundsteuer-Hebesatz zu erhöhen, um mit den Einnahmen Sozialwohnungen zu fördern. Allerdings würde ein höherer Hebesatz auch auf die Miete kostengünstiger Bestandswohnungen durchschlagen.
Grundstücke unbebaut zu lassen, wird momentan noch belohnt
Damit nicht genug: Zwar gehen die Grundstücke weg wie warme Semmeln. Doch es ist keinesfalls sicher, dass dann auch gebaut wird. "Wir haben in einigen Wohngebieten ein Drittel der Grundstücke, die voll erschlossen unbebaut da liegen", stellt Trost fest. "Die Eigentümer lassen sie als Kapitalanlage liegen. Das ist natürlich nicht im Sinne einer Stadt, von Ökologie und Ökonomie." Das gegenwärtige Steuersystem belohnt dieses Verhalten: Mehrfamilienhäuser werden hoch besteuert. Wer nicht baut, zahlt dagegen nur sehr wenig Grundsteuer und kann in aller Ruhe zusehen, wie der Grundstückswert steigt. Man kann diejenigen, die so handeln, als Spekulanten bezeichnen – das klingt anklagend, skandalisierend. Man kann auch von Anlegern sprechen – das klingt grundseriös, ist aber genau dasselbe.
Wie Trost betont, sind es öffentliche Leistungen der Gemeinde, die das Grundstück erst in Wert setzen: Ohne Baugenehmigung, ohne Straßen, Wasser, Strom und Abwasserleitungen wäre das Land nicht mehr wert als ein Stück Acker. Den Gewinn aus diesen Investitionen des Steuerzahlers tragen jedoch die privaten Grundstücksbesitzer davon. Genau das kritisiert auch Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik der Hochschule Trier, der mit dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Initiative "Grundsteuer: Zeitgemäß!" gestartet hat.
4 Kommentare verfügbar
Christine Fabricius
am 04.03.2018Leider ist der Artikel nicht sehr klar strukturiert. Es wird nicht begründet, warum Mieter*innen von Steuererleichterungen der Vermieter*innen profitieren sollten.
Sicher profitieren von mehr Neubauten wird nur die Bauwirtschaft. Sicher leiden werden Umwelt…