"Aus Baden-Württemberg wird Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz zur Bundesministerin aufrücken", schreibt die "Stuttgarter Zeitung". Schön wär's. Tatsächlich wird aus der Staatssekretärin eine "Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin", wie es offiziell heißt, zuständig für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Tübingerin löst Aydan Özoğuz (SPD) ab und verfügt, bei einem Gesamthaushalt des Bundes von 357 Milliarden, über 20 Millionen Euro. Tapfer kündigt die Juristin ohne Abschluss trotzdem neue Projekte an, und dass sie sich "als einzige Vertreterin des Landes am Kabinettstisch bei anderen Themen ebenfalls einbringen wird".
Ob sie die einzige bleibt, steht noch nicht fest. Denn das Personaltableau der SPD soll erst nach einem positiven Mitgliederentscheid verkündet werden. Zumindest ist es unwahrscheinlich, dass die Roten einen klingenden Namen aus dem Südwesten in die vierte Regierung Merkel schicken. Woher nehmen und nicht stehlen? Auf ihre Weise haben auch die Sozialdemokraten dramatisch abgewirtschaftet. Nach der jüngsten Umfrage bekämen sie bei einer Landtagswahl noch zwölf Prozent. Und von 709 Bundestagsabgeordneten stellt die Südwest-SPD nur 16.
Darunter finden sich mit Ex-Finanzminister Nils Schmid, der Landesvorsitzenden Leni Breymaier und ihrer Vorvorgängerin Ute Vogt immerhin drei Namen, die zumindest politisch Interessierten bekannt sind. Aber selbst sie können aus unterschiedlichen Gründen noch nicht oder nicht mehr zum Zuge kommen. Denn die ersten beiden sind Berliner Neulinge; letztere war zwar Stellvertreterin von Gerhard Schröder und von ihm als Führungsreserve auf Bundesebene geadelt worden, konnte die Erwartungen aber bei weitem nicht erfüllen.
Polit-Yuppies der SPD-Netzwerker haben treue WählerInnen vergrault
Gerade die Wahl der Landesgruppenchefin zeigt, wie schlecht es um Potenzial und Renommee der einst so stolzen und einflussreichen baden-württembergischen Sozialdemokratie bestellt ist. Katja Mast, langjährige Bundestagsabgeordnete aus dem Enzkreis, ist zwar inzwischen eine von vielen Fraktionsvizes und direkte Stellvertreterin von Andrea Nahles in den Bereichen Arbeit und Soziales. Ihre Strahlkraft spiegelt sich aber eher in dem mageren Ergebnis von 54,7 Prozent, mit dem sie 2013 als Generalsekretärin der Landespartei bestätigt wurde. Nach dem Wahldebakel von 2016 trat sie nicht mehr an. Chefin der Landesgruppe im Bundestag wurde sie gleichwohl.
Wirtschaftlich und was die Gelder betrifft, die in Forschung und Entwicklung fließen, in Sachen Wein, Lebensart, als Bindestrich-Land selbst in Sachen Länderneugliederung ist der Südwesten Vorbild. Tempi passati in der SPD. In den Beschreibungen des Niedergangs einer Partei, die mit Fritz Erler, Carlo Schmid, Erhard Eppler und Hermann Scheer so viele Vordenker hervorbrachte wie kaum ein anderer Landesverband, haben die sogenannten Netzwerker ihren festen Platz. Ein vielen unbekanntes Mysterium ist sie dennoch bis heute, diese Gruppe von damals jungen Bundestagsabgeordneten, die sich zu Beginn der Schröder-Ära zunächst locker und dann institutionalisiert als innerparteilicher Flügel zusammenfand.
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Hartwig Lein
am 02.03.2018